Akustische Vexierbilder

Selbst wenn man die gleiche Sprache spricht, ist genügend Potenzial vorhanden, einander nicht oder zumindest falsch zu verstehen. Ein guter Freund, aufgewachsen in Deutschland und seit einigen Jahren leidenschaftlicher Wiener, kann ein Lied davon singen. Damals etwa, als er zum ersten Mal in einem Beisl hörte, wie jemand am Nachbartisch „s‘ Beischl“ bestellte. In österreichischen Essgepflogenheiten noch nicht sattelfest, fragte er die Wirtin, was denn heute das „Special“ sei. Ein andermal stieg er in eine Diskussion ein, es muss sich um Haushaltsversicherungen gedreht haben, und wurde plötzlich mit „Wiener Stehtischen“ konfrontiert. Nun versteht er zwar einiges von Möbeln, doch diese besondere Art war ihm noch nicht untergekommen. Dass es sich dabei um eine Versicherungsgesellschaft handeln könnte, war ihm in jenem Moment nicht bewusst.

Immerhin erkannte er die Systematik dahinter und taufte das Phänomen „akustisches Vexierbild“. Und wie üblich, wenn man einmal ein System geknackt hat, spielt er auch immer wieder gerne damit. So sprach er etwa bei der Fußball WM mit breitem Grinsen, jemand hätte sein „L verschissen“. Verstanden?

Falls Sie an derartigen Spielereien Gefallen finden, empfehle ich Ihnen zum einen Axel Hackes Büchlein „Der weisse Neger Wumbaba. Kleines Handbuch des Verhörens“, zum anderen sollten Sie sich die DVD von Jim Jarmuschs Film „Down by Law“ besorgen. Und lassen Sie sich die Zeile „I scream, you scream, we all scream for Ice Cream“ auf der Zunge zergehen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.08.2006)

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Kampf den Köstlichkeiten

Warum wird eigentlich alles als Spezialität bezeichnet, auch wenn es sich dabei nur um etwas ganz gewöhnliches handelt? Nehmen wir einen Imbissstand, der sich damit rühmt, türkische Spezialitäten anzubieten. Na ja, Kebab gibt es mittlerweile längst an jeder Ecke, so wirklich speziell ist das schon lange nicht mehr. Oder nehmen wir den sogenannten Spezialtoast, wie er in zahlreichen Gasthäusern angepriesen wird: Was ist denn bitte an zwei getoasteten Weißbrotscheiben mit Schinken und Käse so spektakulär, dass in der Speisekarte sogleich der Adelsschlag zur Spezialität erfolgen muss? Wenn absolute Standardware derartig angepriesen wird, was wird dann aus wirklichen Spezialitäten? Umgekehrt gefragt: Wenn das schon speziell sein soll, wie muss dann erst die Normalware aussehen? Trockenes Brot?

Skeptisch reagieren sollte man übrigens auch auf Einladungen zu Veranstaltungen, bei denen das kulinarische Programm unter „Köstlichkeiten“ firmiert. Viel platter lässt sich Essen – von mir aus auch appetitlich zubereitet und qualitativ hochwertig – kaum mehr beschreiben. Warum ringen sich Veranstalter und PR-Texter nicht dazu durch, einfach zu schreiben, dass es ein Buffet mit Speisen aus diesem und jenem Land gibt. Ob es wirklich köstlich ist, werden wir dann schon bemerken, so oder so. Aber so werden sich wohl weiterhin „Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur“ die von „orientalischen Schönheiten“ servierten „Schmankerln“ irgendwo am medialen Platitüdenfriedhof schmecken lassen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.08.2006)

Urlaub ist Arbeit, Arbeit ist Urlaub

Stellen Sie sich vor, Sie machen eine Woche lang Urlaub, liegen am Strand, trinken Ouzo und rauchen billige Zigaretten. Und in der Arbeit bemerkt niemand, dass Sie weg sind. Paradiesisch, oder? Nur, sobald einer Ihrer Kollegen bemerkt, dass keiner bemerkt, dass Sie nicht da sind, stellt sich die Frage, wozu Sie überhaupt da sind, wenn es ohnehin niemandem auffällt. Man ist auf dem besten Weg, Opfer der nächsten Einsparungswelle zu werden.

Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sollten Sie darauf achten, niemals weg zu sein, damit auch ja niemand auf die Idee kommt, dass es auch ohne Sie funktionieren könnte. Machen Sie sich unentbehrlich. Dummerweise macht man sich damit aber verdächtig. Sind die, die nie auf Urlaub gehen, nicht nur machtgeile Karrieristen, die sofort auf den nächsten prestigeträchtigen Posten spitzen, sobald der Kollege nicht da ist? Aus taktischen Gründen sollten Sie also ab und zu ein paar freie Tage einlegen. Während dieser Zeit empfiehlt sich allerdings dringend, bei Ihren Kollegen das Gefühl wachzuhalten, dass es ohne Sie einfach nicht geht. Schicken Sie regelmäßig Mails, rufen Sie an, seien Sie präsent, nerven Sie Ihre Kollegen. Zugegeben, der Urlaub wird so zu regelrechter Arbeit. Aber das ist es wert. So rufen Sie Ihren Kollegen immer ins Gedächtnis, wie wichtig Sie sind, damit das Werk richtig läuft. Und wenn Sie dann zurückkommen, können Sie sich wieder entspannt zurücklehnen. Die freien Tage sind vorbei, ich bin noch da. Ja, Arbeit ist fast wie Urlaub.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.08.2006)

Lachen über Hitler

In den vergangenen Tagen fand sich in zahlreichen Mailboxen ein von Freunden und Kollegen eifrig weiter verbreiteter Link wieder. Unter der Adresse www.youtube.com/watch?v=Pq4gQPReH2E ist ein Video mit einem Comic-Hitler zu sehen, der in den letzten Kriegstagen trotzig im Bunker singt, dass er niemals kapitulieren wird. Dabei sitzt er nackt am Klo oder mit Hund Blondie in der Badewanne, während ein Chor aus Hitler-Badeenten „Adolf, du alte Nazisau!“ trällert. Das Video ist ein Promotionclip zu Walter Moers‘ jüngst erschienenem dritten „Adolf“-Comicbuch „Der Bonker“. Während der erste Teil 1998 für heftige Diskussionen sorgte („Vermenschlichung“), scheint mittlerweile Konsens zu herrschen, dass auch der Unmensch ein Mensch war. Ein Mensch, der durch die Darstellung seiner Schwächen nicht verharmlost wird und über den gelacht werden kann.

Und wenn wir gerade beim Lachen über Hitler sind, noch ein paar Empfehlungen in diese Richtung. Der Klassiker schlechthin ist natürlich Charlie Chaplin’s „Der große Diktator“ aus dem Jahr 1940. Absolut sehenswert ist auch „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942. Das Remake von Mel Brooks aus dem Jahr 1983 erschöpft sich dagegen in Blödelei und Klamauk. Und was bringt die Zukunft? Im Jänner 2007 kommt „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ in die Kinos – mit Helge Schneider in der Titelrolle. Nicht lustig? Nun, da halte ich es mit Charlie Chaplin: „Es ist gesund zu lachen, auch über die dunkelsten Dinge des Lebens.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.08.2006)