Der Herbst ist die unsinnigste Jahreszeit

Übergangsjacke, Schal und Tee: die wichtigsten Argumente für ein bisschen Herbstbashing.

So, jetzt ist er wirklich da. Nachdem ihn die Übergangsapologeten schon mitten im Sommer herbeigeschrieben haben („Herbst zeigt sich sommerlich“ war schon Anfang September zu lesen), lässt er sich jetzt nicht mehr wegdiskutieren. Diskutieren kann man dafür sehr schön darüber, wie gut man den Herbst findet. Es ist ja en vogue, ihn für die schönste aller Jahreszeiten zu halten – endlich nicht mehr so heiß, die vielen bunten Blätter, stimmungsvolles Licht, Kürbisse, Kastanien, Weinlese, ohne schlechtes Gewissen auf der Couch Netflix schauen und so weiter. Man kann aber auch den Spielverderber machen – und hat dafür ziemlich gute Argumente. Falls Sie welche brauchen: Im Herbst geht es nur bergab. Die Tage werden kürzer und kürzer. Die Schatten länger und länger. Und als Angebot am Ende winkt nur der Winter. Der enthält zumindest die Hoffnung, dass es wieder besser wird – immerhin werden um den Winterbeginn die Tage langsam (ja, sehr langsam) wieder länger. Nicht einmal das kann der Herbst.

Er ist eine Jahreszeit, der die Vollständigkeit fehlt, nicht umsonst wird er gern mit dem Attribut des Übergangs versehen – inklusive Übergangsjacke, die die Übergangszeitverkühlung dann doch nie verhindern kann, woraufhin man mit Übergangsuntergangsstimmung im Bett liegen und heißen Tee in kleinen Schlucken trinken muss. Er ist das Ende der Unbeschwertheit, im T-Shirt auf die Straße gehen zu können. Plötzlich muss man vor dem Kleiderschrank mitdenken, seine Arme verhüllen und sich erinnern, wie man einen Schal um den Hals wickelt. Und er ist die Jahreszeit, in der man an die Vergänglichkeit erinnert wird. Er ist wie das erste graue Haar im Spiegel. Er ist so . . . erwachsen.

Falls die EU-Kommission also irgendwann über die Abschaffung des Herbsts abstimmen lassen sollte, dann – ach was, irgendwie ist der Herbst eh ganz okay.

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Was Wiens Sozialstadtrat in Ihrem Computer sucht

Wenn ein Ticket nicht guilty ist, ist man wohl wieder mit falschen Freunden unterwegs.

Es gibt da diese Wörter, bei denen man ein zweites Mal schauen muss – gerade in Zeiten, in denen englische Begriffe auch im Deutschen zum normalen Sprachgebrauch gehören. Bei der Brotherstellung, zum Beispiel, könnte man auf den ersten Blick zunächst an den Bruder denken und sich dann wundern, was der bei einer Stellung zu suchen hat. Und auch beim Brathering gerät mancher ins Grübeln, bis klar ist, dass das kein englisches sondern ein deutsches Wort ist. Auch eine Schlagzeile „Hacker im Rathaus unterwegs“ birgt Potenzial für Missverständnisse – ob nun jemand in die Computersysteme der Stadtverwaltung eingedrungen ist oder ob es sich einfach um den Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker handelt. Und geben Sie es ruhig zu, dass Sie die Backfactory auch schon einmal als Rückwärtsfabrik verstanden haben.

Ein hübsches Spiel ist es auch, sich mit falschen Freunden zu beschäftigen – also Wörter, die einander äußerlich ähneln, aber in den jeweiligen Sprachen eine unterschiedliche Bedeutung haben. Gerade bei Englisch und Deutsch gibt es da ein paar Klassiker – „I become a Schnitzel“, zum Beispiel, Sie wissen schon. Oder dass „brave“ im Englischen mitnichten brav bedeutet, sondern tapfer, dass „chain mail“ keinen Kettenbrief bezeichnet (das wäre „chain letter“), sondern ein Kettenhemd, oder dass „china“ kleingeschrieben nicht für das Land steht, sondern für Porzellan. Dazu kursiert auch eine Episode – ob sie wirklich so passiert ist, spielt keine Rolle: Ein Kontrollor in der Wiener Straßenbahn prüft das Ticket eines ausländischen Fahrgasts und stellt fest, dass es ein Problem damit gibt – „It’s not guilty.“ Und dann war da noch eine Runde mit internationalen Gästen, in der auf Englisch über Politik diskutiert wurde. Nur einer wollte zum Thema nichts sagen. Seine Begründung? „I don’t have a meaning.“

Oberschienensalat mit Koksmilch und Sneakers

Denken Sie beim Wort Altbaucharme an Hände, die aus dem Abdomen eines Senioren kommen?

Mit Essen spielt man nicht. Aber mit Sprache darf man. Die Internetdomain eines Wiener Restaurants (www.zuminder.at) hat zum Beispiel humoriges Missverstehenspotenzial – gehen wir zum Inder oder ist dir das zu minder? Zugegeben, das ist schon etwas für Feinspitze, die etwa bei Schweinelendchen die Assoziation mit einem bemitleidenswerten kleinen Paarhufer haben. Die bei Schafselchfleisch an die ungewöhnliche Paarung eines Mutterschafs mit einem nordischen Hirsch denken. Und das vermeintlich gegenderte Hühnerinnenfilet ist sowieso schon Legende. Ein bisschen holprig ist das Mietzentrum, das mitnichten eine besonders große Katze bezeichnet. Sehr charmant wiederum ist es dagegen, wenn man beim Lesen des Wortes Altbaucharme nicht an Flügeltüren und eine Deckenhöhe von 4,50 Metern denkt, sondern aus dem Abdomen eines Senioren Hände winken sieht.

Das hat mit Essen eigentlich nichts mehr zu tun, aber auch da gibt es noch ein paar hübsche Spielereien. Etwa bei der Frage, wie man Schweinsgulasch zu Rindsgulasch macht. Nun, den Teller umdrehen – dann rinnt’s Gulasch. Ja, geschrieben funktioniert der nur halb so gut. Dafür könnte einem bei Oberschienensalat das Herz aufgehen. (Sagen Sie niemals Melanzani zu ihnen!) So wie auch bei einer Eissorte, die nach dem Schokoriegel Sneakers benannt ist. Oder einem Eintrag in der Speisekarte eines Asia-Restaurants, dass etwas mit Koksmilch zubereitet wurde. Hingegen ist offenbar noch niemand auf die Idee gekommen, auf einer Schaukel Wein auszuschenken und ihn als Hutschachtel anzupreisen. Tatsächlich zu lesen gab es allerdings die Stellenanzeige eines Lokals ums Eck, handgeschrieben ins Fenster geklebt: Kellerin gesucht. Übrigens, mögen Sie Musik? Dann kennen Sie sicher die Bärbel. Nicht? Nun, ihr größter Hit war „Smoke on the water“. . .

Das E-Wort steht in der U-Bahn wie ein Rüsseltier

Dinge, die man nicht aussprechen will, mit Anfangsbuchstaben zu verklausulieren, ist l-Wort.

Sich den Mund mit Seife auszuwaschen ist keine umständliche Umschreibung für Zähneputzen. Wobei Zähneputzen wichtig ist, damit das K-Wort keine Chance hat. Sie wissen schon, das mit den Löchern, für die der Zahnarzt den B-Wort auspackt und sagt, dass es jetzt gleich ein bisschen w-Wort tun wird. Es sei denn, natürlich, man hat sich vorher eine S-Wort geben lassen. Ganz genau, diesmal geht es darum, Wörter nicht in den Mund zu nehmen. Beim Zähneputzen selbst geht das ja eh nicht, weil das Wort die verflüssigte Zahnpasta aus dem Mund drängen würde, was wieder eine ziemliche Sauerei ergibt. Aber im normalen Sprachgebrauch hat sich das ein bisschen eingebürgert, stattdessen nur den Anfangsbuchstaben zu verwenden und dabei ein bisschen verschwörerisch zu schauen. Was bei der Umschreibung eines im Sprachgebrauch herabwürdigenden Wortes ja noch seine Berechtigung hatte. Doch was im Windschatten des N-Worts mittlerweile veranfangsbuchstabisiert wurde, ist schon ein bisschen l-Wort.

Die trübe Jahreszeit, die den Sommer ablöst, mit H-Wort zu titulieren, zum Beispiel. Oder auch ein im Englischen gebräuchliches Schimpfwort auf Basis von Geschlechtsverkehr als f-word zu verklausulieren. Das ist dann ein bisschen wie das E-Wort, das im Raum steht – das Rüsseltier, das jeder sieht, aber über das keiner sprechen will. Das funktioniert wie der Gottseibeiuns, Sie wissen schon, wer. („He who must not be named“ in „Harry Potter“ spielt in einer ähnlichen Liga.) Wobei sich das T-Wort für ihn nie wirklich durchgesetzt hat.

Dafür ist das E-Wort (nein, nicht das mit dem Rüsseltier) ja jetzt in der Wiener U-Bahn verboten. Also verzichten Sie künftig besser auf den D-Wort und die L-Wort-Semmel und lassen die P-Wort während der Fahrt im Karton. Sehen Sie es positiv – damit fällt danach auch das Ausspülen des Mundes mit Seife weg.