Warum muss man Babys „basteln“?

Jüngst war in einer Illustrierten zu lesen, dass Schlagersängerin Simone und Partner Alex an Nachwuchs denken. Titel: „Jetzt basteln wir am Baby!“ Nun denken zumindest einige Österreicher meiner Generation (Baujahr 1974) bei diesem Begriff an die ORF-Kindersendung „Wer bastelt mit?“, in der verschüchterte Kinder unter der Anleitung von Bastelonkel Franz Kotscher versuchten, Papierflieger zusammenzukleben. Und auch daran, dass Onkel Franz den Kindern die noch unfertigen Stücke immer wieder aus der Hand riss, um sie im Stile eines Oberlehrers selbst fertig zu machen – „und immer schön genau am Falz falten.“ Knisternde Erotik pur, eben.

Die gute Simone ist allerdings nur die mediale Speerspitze, auch in vielen anderen Familien wird der Nachwuchs scheinbar mit Schere, Papier und Uhu-Stick hergestellt. Liebe Leute, so unromantisch kann die Fortpflanzung doch auch wieder nicht sein, dass man dafür Vokabular aus der Kinderwelt bemühen muss, oder? Andererseits, auch die Alternativen haben einen ähnlich schalen Nachgeschmack. Das umgangssprachliche „einen Braten in den Ofen schieben“ ist an Entwürdigung kaum mehr zu überbieten. Und würde man vom „Produzieren“ sprechen, wäre da die Assoziation mit einem Fließbandarbeiter, der wie Charlie Chaplin in „Modern Times“ sichtlich überfordert an einem Werkstück herumschraubt – also auch eher Fehlanzeige. Wir werden also vermutlich damit leben müssen, dass Kinder weiter in Bastelstuben gemacht werden – hoffentlich ohne Onkel Franz.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 30.10.2007)

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Du sollst nicht „lecker“ sagen

Österreich hat den Vorteil, einen großen Nachbarn zu haben, der die gleiche Sprache spricht. Erst die Größe des deutschen Marktes macht es sinnvoll, Werke aus anderen Sprachen – Bücher, Filme und Konsorten – ins Deutsche übersetzen zu lassen. Die Größe des Nachbarn ist aber gleichzeitig auch ein Nachteil. Abgesehen davon, dass etwa Holländer oder Finnen leichter Englisch lernen, weil sie im Kino und TV Originalversionen sehen, gibt es noch einen Haken: Begriffe aus dem Deutschen schwemmen auf der Welle von Quizshows, Serien und Synchronsprechern in unsere Wohnzimmer und nisten sich in unserem Sprachgebrauch ein.

In Werbespots wird längst von „Pickeln“ gesprochen, in TV-Serien ein „Hühnchen“ gegessen. Mittlerweile hört man auch schon von Österreichern, dass etwas „lecker“ sei. All jenen, die noch etwas Sprachgefühl haben, rollt es spätestens dabei die Zehennägel auf. So auch Robert Sedlaczek, der im „Kleinen Handbuch der bedrohten Wörter Österreichs“ einige Begriffe aufdeckt, die wir vor ein paar Jahren nicht zu sagen wagten. „Sahne“ statt Obers, „Rührei“ statt Eierspeis oder „Junge“ statt Bub treiben ihm, so wie hoffentlich auch Ihnen, die Grausbirnen auf die Stirn. Also, retten wir noch ein paar Reste unserer Sprache, lassen wir uns nicht gleichschalten. Und wenn Sie das nächste Mal eine Packung Manner-Schnitten aufmachen und ein Stück der mit Haselnusscreme gefüllten Bäckerei zum Mund führen: Sagen Sie niemals „Waffel“ zu ihr. Von „lecker“ ganz zu schweigen. . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 22.10.2007)

Wenigstens kein Spießer

Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen, heißt es im Werbespot einer Bank. Genau, auf einem Podium vor Menschen zu sprechen wäre hier der große, sich davor die Krawatte zu binden, der kleine Kraftakt. Interessant, dass jene Bank diesen Moment vor dem Spiegel noch nicht in ihre Werbelinie aufgenommen hat. Eine andere Bank wiederum wirbt damit, dass die Ärmel aufgekrempelt werden. Nun, das geht bekanntlich noch etwas leichter von der Hand als das Hantieren mit dem Kulturstrick – was das heißt, ist aber nicht so klar. Immerhin lernen wir, dass es im Bankgewerbe nicht üblich ist, einfach im T-Shirt in die Arbeit zu marschieren.

So mancher Sakkoträger, der gerade emotionslos ein paar Euro-Scheine durch die Zählmaschine wandern lässt, denkt in solchen Momenten wohl voller Wehmut an früher zurück. Als er in zerrissenen Jeans, einem T-Shirt mit Totenkopf und mit Nietenarmband bei einem Konzert die damals noch langen Haare im Rhythmus herumkreisen ließ. Iced Earth und Annihilator waren zwei der Bands, denen man damals zujubelte. Die Magie von damals wird heute wohl nicht aufkommen, wenn eben diese Bands im Planet Music den Heavy Metal vergangener Tage wieder einmal aufwärmen. Von der musikalischen Originalität einmal abgesehen, sieht es einfach seltsam aus, wenn ältere Herren, deren Matte längst ergraut ist, so tun, als ob die Neunziger noch nicht vorbei wären. Andererseits, wenigstens sind sie keine Spießer geworden. Auch ein kleiner Erfolg. Und was wären die großen. . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.10.2007)

Schenkt kein Tandem, bitte

Während des ganzen Jahres hätte man sie, doch wenn es konkret wird, zumeist kurz vor Weihnachten/Geburtstag/Hochzeit verflüchtigen sie sich zu einem gedanklichen Vakuum – sinnvolle Geschenksideen. Dann sitzt man stundenlang mit Freunden zusammen und wälzt Ideen, die letztendlich doch nicht funktionieren. Nun hat die Geschenkartikelindustrie mit eigenen Abteilungen in Buchhandlungen oder sogar eigenen Shops Produkte genau für jene kreativen Aussetzer bereitgestellt, doch genau diese Notlösungsmentalität bemerkt der Beschenkte auch sofort, wenn er Scheußlichkeiten wie „Happy Birthday“-Häferln mit Diddlmaus oder Sternzeichen-Bücher überreicht bekommt. Sollte sich doch ein Genieblitz der Geschenksfindung abzeichnen, reicht die Zeit mit Sicherheit nicht mehr aus, das Geschenk zu besorgen. Obwohl, das ist vielleicht auch besser so. Denn so wahnsinnig originell die Idee auch ist, einem Paar zur Hochzeit ein Tandem zu schenken, so wirklich groß wird die Freude über das unhandliche Freizeitgerät dann doch nicht sein.

Versuchen Sie es mal mit Geschenken, mit denen man wirklich etwas anfangen kann. „Nordkorea. Fotografien aus einem abgeschotteten Land“ etwa, ein herrlicher Bildband aus einer der schrulligsten Diktaturen der Welt. Oder „XXX 30 Porno-Stars im Porträt“ von Timothy Greenfield-Sanders – so unerotisch wurde kaum ein Pornodarsteller je gezeigt. Wie, das passt nicht zum Beschenkten? Dann wechseln Sie lieber Ihren Freundeskreis. Oder bleiben bei der Diddlmaus.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.10.2007)