Komm, süße Bestattung

Manche Branche hat es ja eher schwer, für ihre Produkte oder Dienstleistungen zu werben. Nehmen wir, dem Feiertag entsprechend, einmal die Bestatter. Da hat etwa die Bestattung Wien ein paar nette Give Aways, die das Logo und die Corporate Identity des Unternehmens transportieren sollen – bei Dingen, die man üblicherweise weniger gern mit dem Sterben in Verbindung bringt: Eine dieser lustigen Metalldosen etwa, die mit scharfen Zuckerln gefüllt sind. Da kommt ganz zwangsläufig der Gedanke auf, dass man aus der Asche von Verstorbenen womöglich nicht nur, wie vergangene Woche berichtet, Diamanten machen kann. Und auch wenn der Trend zu dunkler Schokolade geht, eine Ritter Sport-Tafel mit schwarzer Banderole geht dann doch etwas zu weit. Komm, süßer Tod, oder wie? Da lässt sich am ehesten noch ein weiterer Klassiker der Werbegeschenke verstehen: das Feuerzeug. Dass selbst bei der kleinsten Einstellung eine massive Stichflamme aus dem Feuerspender schießt, soll da nicht irritieren – Feuerbestattung im Eigenbau?

Aber es geht noch besser: Die italienische Sargtischlerei Cofanifunebri (www.cofanifunebri.com) bringt etwa einen Kalender heraus, in dem sich leicht bekleidete Damen mit verklärtem Blick auf wurmresistenten Edelholz-Särgen räkeln. Der alte Kampf Eros vs. Thanatos, quasi. Nun, spätestens seit Six feet under (Staffel fünf auf DVD erhältlich) dürfte der Tod ein bisschen von seinem Schrecken verloren haben. Und das ist auch gut so. Schönen Feiertag!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.10.2006)

 

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Der Schrei als Verkaufsargument

Es ist gar nicht so leicht, seine Waren anzubringen, wenn rundherum dieselbe Ware von mehreren anderen auch angeboten wird. Um also den Kunden zu überzeugen, nicht bei den anderen einzukaufen, ist eine gewisse Überzeugungsarbeit notwendig. Das nennt sich denn freier Markt und ist ja auch ok. Aber: Vor allem dann, wenn sich das Produkt in Preis und Qualität nicht merklich unterscheidet, kann das für den potenziellen Kunden lästig werden. Denn dann gilt das Gesetz der Lautstärke – zumindest glauben das die Händler. Das endet etwa bei einem Besuch am Naschmarkt mit Stakkatobeschallung in Stereosound: „Kebab, Kebab, Kebab!“ von der einen, „Billig, billig, billig!“ von der anderen Seite.

Rein von der Logik her sollte sich der mündige Kunde durch derlei Marktgeschrei nicht in seiner Entscheidung beeinflussen lassen. Allein, er tut es trotzdem. Und schon ist der Plastiksack mit Oliven gefüllt, die man eigentlich gar nicht haben wollte. „Die Stimme des Intellekts ist leise“, sagte einst Sigmund Freud. Nun gut, wenn der Bauch die Entscheidungen trifft, geht es eben etwas lauter zu. Soll so sein. Aber zumindest beim Bücherflohmarkt im Literaturhaus Wien (7, Seidengasse 13; Mi. 9 bis 15 Uhr) sollte das Stöbern nicht durch Schreie wie „Tolstoi, Tolstoi, Tolstoi!“ & Co gestört werden. Und im Übrigen bleibt zu hoffen, dass nicht auch Anker, Mann, Ströck & Co auf die Idee kommen, ihren Konkurrenzkampf in Zukunft über die Lautstärke auszutragen. „Salzstangerl, Salzstangerl, Salzstangerl!“, Sie wissen schon.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 25.10.2006)

Pimp my Dictator

Verschmähte Liebe an sich ist ja schon recht unangenehm. Und zur Schmach der Abweisung kommt dann oft auch noch der Spott hinzu. Dass diese unheilbringende Kombination direkt zur Katastrophe führen kann, ist ja nicht erst seit dem Fall Woglinde, Wellgunde & Floßhilde vs. Alberich bekannt, der ja sogar den Untergang der Welt zur Folge hatte. Umso mehr schmerzt es, wenn der arme Kim Jong Il in den vergangenen Tagen derart ruppig behandelt wird. Denn warum, liebe Leser, glauben Sie, dass Nordkoreas Diktator plötzlich mit den Muskeln spielt? Es ist der Aufschrei einer verzweifelten Seele, der Schrei nach Liebe. Trey Parker und Matt Stone waren die ersten, die es erkannt haben: In ihrem Marionetten-Film „Team America“ schluchzt der arme Kerl seinen Weltschmerz in die Welt hinaus: „I’m so ronry!“

Und dann das: „Er sieht nicht nur seltsam aus, er ist es auch“, war etwa jüngst in den Medien zu lesen. Und dann auch noch ein Embargo. Völlig verkehrt! Diesem Mann muss man doch helfen. Vorbilder, wie das funktionieren kann, gibt es im TV ja genug. „Einsatz in vier Wänden“ etwa, wo ein gut gelauntes Team eine heruntergekommene Wohnung mit Ikea-Möbeln in neues Licht taucht, oder „Pimp my Ride“, wo heruntergekommene Autos mit Alufelgen und Co zum Straßenkreuzer ausgebaut werden. Also, schicken wir Alfons Haider nach Pjöngjang, verpassen Kim Jong Il ein paar H&M-Fetzen – und eine neue Frisur. Vielleicht haben ihn die Menschen dann wieder lieb. Und uns bleibt die atomare Götterdämmerung erspart.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.10.2006)

Ich mag Ausländer ja nicht, aber . . .

Es ist ein absolut unausrottbares stereotypisches Verhalten: Unmittelbar vor jeglicher Attacke auf sogenannte Menschen mit Migrationshintergrund wird ein „Ich habe ja wirklich nichts gegen Ausländer, aber . . .“ vorangestellt. Nun ist es ja lobenswert, nichts gegen Menschen anderer Herkunft oder Ethnie zu haben, doch steht das auf dieses Bekenntnis folgende weinerliche Geseier oder gar aggressive Geschimpfe dem dann doch eher diametral entgegen. Drehen wir lieber den Spieß um. Sagen wir im vollen Brustton der Überzeugung, dass wir Ausländer ja in Wirklichkeit ganz furchtbar finden. So wird erstens der xenophobe Reflex in uns bedient und wir können zweitens dazu übergehen, die Bereicherung unseres Lebens durch fremde Einflüsse lobend zu erwähnen. Ein Beispiel? „Also, ich mag Ausländer ja wirklich nicht, aber das Best Of-Album der Wiener Tschuschenkapelle macht wirklich gute Laune.“

Ist es allerdings sinnvoll, diesen Mechanismus direkt in freier Wildbahn auszutesten? Ob die Bestellung „Ich halte ja Asiaten für minderwertig, aber ich hätte gerne einmal die pikant-säuerliche Suppe und Ihre köstlichen Acht Schätze – mit Stäbchen, bitte“ das freundliche Lächeln des Kellners beim Chinesen Ihrer Wahl nachhaltig aus dem Gesicht verschwinden lässt, müssen Sie dann schon selbst herausfinden. Falls Sie vorhaben, eine derartige Meldung anzubringen, empfiehlt es sich in jedem Fall, einen Bodyguard mit ins Lokal zu nehmen. Obwohl, das könnte wieder ganz andere Probleme mit sich bringen . . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.10.2006)

Das ist ein Amboss, du böse Ziege

Lebensnähe ist etwas, das nicht alle Bereiche unseres Lebens auszeichnet. Vor allem dann, wenn wir mit Objekten und Geschehnissen aus anderen Kulturkreisen konfrontiert werden, wird in der imaginären Gedankenblase allzu oft ein Fragezeichen sichtbar. Ein Beispiel? Nehmen wir das „Lehrbuch der armenischen Sprache“ von Margret Eggenstein-Harutunian zur Hand. „Sa sal e“ – gleich einer der ersten Sätze, den der Lernwillige zu Gesicht bekommt, lässt den Mitteleuropäer kurz fragend mit der Augenbraue zucken. Schließlich hat man den Satz „Dies ist ein Amboss“ vermutlich im aktiven Sprachgebrauch kaum wirklich verwendet – geschweige denn hat jemals an einem Amboss gearbeitet. Auch „Sa ul e“ ist nicht gerade jener Satz, mit dem der gelernte Wiener üblicherweise eine Konversation zu beginnen pflegt – „Das ist eine Ziege“. Gottlob wird gleich der in der Großstadt wahrscheinlichere Fall „Sa ul tsche“ mitgeliefert – wenn es sich beim Dackel der Nachbarin eben um keine Ziege handelt.

Falls nun Ihr Interesse geweckt sein sollte, sich näher mit der armenischen Sprache zu beschäftigen, lege ich Ihnen den Kurs A1 Armenisch in der VHS Brigittenau (20, Raffaelg. 11) nahe, für den heute Anmeldeschluss ist. Jenen, die keine Sprache lernen wollen, sei „Kulturen im Dialog“ am Polycollege (5, Stöbergasse 11-15) empfohlen, wo sich alles um kulturelle Standards, Kommunikationsmuster, und Wertvorstellungen dreht. Na, wie wäre es damit, Herr Westenthaler? Passt das noch in Ihren Dienstplan?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 01.10.2006)