Ich lass dir den Kochtopf, lass du mir mein Bier!

Ich bin ein Fan von Peter Alexander. Zum einen natürlich aus Verklärung, weil er bei jedem Besuch bei der Großmutter im Kassettenrecorder oder Fernseher präsent war. Und zum anderen aus zeitgeschichtlichem Interesse, weil einige seiner Lieder viel über die Zeit aussagen, in der sie entstanden sind. Und hier ist nicht unbedingt die heile Welt gemeint, die in der Nachkriegszeit gezeichnet werden sollte. Sondern die schon gesetzteren Siebzigerjahre, in denen er etwa mit „Hier ist ein Mensch“ gegen die Anonymität der Großstadt und für gegenseitige Hilfe ansang. „Und manchmal weinst du sicher ein paar Tränen“, verrät viel über die Aufteilung der familiären Pflichten zwischen Mann (Arbeit) und Frau (Haushalt) – und das durchaus nachdenklich. Während dasselbe Thema mit „Ich lass dir den Kochtopf, lass du mir mein Bier“ aus heutiger Sicht nur noch als frauenfeindlicher Schwank betrachtet werden kann.

Es lohnt sich, auch Texte anderer Helden der Nachkriegszeit zu lesen und darin soziale Bedürfnisse oder Nöte zu entdecken. Wenn etwa Heinz Conrads singt „Ich brauch kan‘ Lido und kan‘ Palazzo, i geh wenn’d Sunn scheint am Monte Glatzo“, spricht daraus eine Zeit, in der Reisen in andere Länder noch als Spleen für Reiche galten. Kahlenberg (Monte Glatzo) und Knackwurst statt „kanarrische Inseln“ und Krabben am Teller – in Zeiten organisierter Billigflüge nach Asien kaum mehr vorstellbar. Und selbst der scheinbar weltoffene Freddy Quinn hat sich einst als strammer Konservativer geoutet: In „Wir“ wettert er gegen Hippies, die nur herumlungern und sich um nichts sorgen. „Wer hat den Mut, für euch sich zu schämen? Wir! Wer lässt sich unsere Zukunft nicht nehmen? Wir!“ Auch wenn man es nicht glaubt – die alten Helden waren politischer, als man sie heute wahrnehmen will.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.02.2011)

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Ich lass dir den Kochtopf. . .

Frauenfeindlichkeit scheint in einigen Musikstilen ja fast systemimmanent zu sein. Man denke an Gangsta Rap, wo kaum geschürzte Damen zwischen Autos herumtollen, während ein Rapper sein testosterongetränktes Frauenbild in die Welt hinausposaunt. Oder wir erinnern uns an „Pleasure Slave“ von Manowar, die bei ihren Konzerten gerne Damen aus dem Publikum auf die Bühne holen, um ihnen ihre Wertschätzung zu erweisen – nachdem sie vor der grölenden Meute ihre Brüste entblößt haben. Aber, liebe Sittenwächter, es gibt auch auf den ersten Blick weniger verdächtige Künstler, die bei so mancher Frau die Grausbirnen wachsen lassen – wenn auch die Ausbeutung etwas anders aussieht.

Denken wir zum Beispiel an Peter Alexander: „Ich lass dir den Kochtopf, lass du mir mein Bier“ ist ein Paradebeispiel für ein Frauenbild, das heute maximal zum Schmunzeln verleitet. Aber zugegeben, das mag in den Siebziger Jahren noch opportun gewesen sein. Oder wir nehmen uns einmal Horst Chmela zur Brust. „Mama bring a Bier, sonst kriegst die gelbe Kartn“ heißt eines seiner Lieder, bei dem die Schenkel nur so geklopft werden. Über die Texte der „Hinichen“, die heute im Planet Music (20, Adalbert Stifter Str. 73; 20 Uhr) auftreten, wollen wir erst gar keine Worte verlieren. Da bietet sich eher ein Besuch im Institut für Wissenschaft und Kunst (9, Bergg. 17; 18.30 Uhr) an, wo es heute um „Geschlechterritualisierung in Spielfilmen mit Wissenschaftsthemen“ geht. Obwohl, so sexy klingt das dann auch wieder nicht. . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.12.2006)

Du hast die ersten grauen Haare

Endlich! Die erste physikalische Therapie. Die längste Zeit habe ich mich nur mehr als halber Mensch gefühlt, weil ich jenseits der 30 noch immer kein chronisches Leiden vorzuweisen hatte. Wie soll man da im Gespräch mit Kollegen bestehen, die schon Platzkarten beim Chiropraktiker haben und den Schwefelgeruch schon aus der Therme und nicht nur aus dem Chemie-Unterricht in der Schule kennen? Apropos Schule: Der Beginn der Ferien zeigt besonders drastisch, dass man sich bereits mitten auf dem Weg zum alten Eisen befindet – in Richtung Rost. Der neidvolle Blick auf das leere Schulgebäude am Arbeitsweg verrät, dass man selbst auch noch gerne auf Maturareise oder in einem Feriencamp wäre.

Um das Leid meiner Generation zu lindern, habe ich einige Tipps, die den Gang zum Physiotherapeuten oder das Vorbeigehen am Freibad erträglicher machen. Oberste Maxime: Verdrängen. Ein MP3-Player mit Kopfhörern kann Wunder wirken. „Ich zähle täglich meine Sorgen“ von Peter Alexander (80) übertönt selbst lautes Kinderlachen. Und „Liebes Kind, du hast die ersten grauen Haare“ von Heinz Conrads (+ 92) bringt die tröstliche Erkenntnis, dass auch das Altern seine schönen Seiten hat. Schöne Seiten kann man auch dem Fußball abgewinnen, vor allem wenn Klaus Eckel (32) und Pepi Hopf (35) mit Döbling gegen Simmering den Kampf der Kulturen (11, Zeltpalast beim Gasometer; 20.30 Uhr – Heimvorteil Simmering) anfachen. Übrigens, alt werden ist natürlich kein Vergnügen, aber denken wir mal an die einzige Alternative . . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.07.2006)