Du bist jetzt ein Krapfen

Wissen Sie, was ein Overkill ist? Nun, in Zeiten des Kalten Krieges war damit die Fähigkeit gemeint, einen Gegner mittels nuklearen Arsenals mehr als einmal zu vernichten. In der medialen Wahrnehmung taucht der Begriff dann auf, wenn ein Thema oder eine Person so omnipräsent ist, dass es schon weh tut – wir denken etwa an Demi Moore, die in den Neunzigern jede zweite Titelseite von „TV-Media“ zierte, oder an Alfons Haider, vor dem man heute ja nirgendwo mehr sicher ist.

Ein weiterer Overkill muss noch zwei Tage ausgehalten werden – der Angriff der Krapfen. Denn die Menge des zurzeit verbreiteten Süßgebäcks steht dem letalen Potenzial einer russischen SS-20-Rakete um nichts nach. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit wohl viel höher, an den Folgen exzessiven Konsums von Marillenmarmelade zu erkranken, als von einer Atomrakete getroffen zu werden. Dass das Gebäck eine Art Waffe ist, lässt sich sogar etymologisch nachvollziehen – Krapfen leitet sich vom mittelhochdeutschen krapfe ab, das für ein hakenförmiges Gebäck steht, aber eben auch für den Haken, der heute noch im Krampen weiterlebt.

Praktischerweise gibt es auch gleich einen Nachfahren des Begriffs für den Zustand nach dem Genuss zu vieler Krapfen, wenn sich der Körper unter der Last des Fettes zusammenkrümmt. Ja, das Wort Krampf hat genau dieselben Wurzeln wie die Faschingssüßspeise. Kann das ein Zufall sein? Womit wir den schönen Bereich der Verschwörungstheorie betreten – sind Krapfen womöglich Geheimwaffen der Aliens zur Vernichtung der Menschheit? Erinnern wir uns nur an die Folge von Alf, in der der pelzige Außerirdische die Hauskatze Lucky hypnotisieren möchte: „Du bist jetzt keine Katze mehr – du bist ein Krapfen!“ Noch Fragen?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.02.2009)

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Körperteilsudoku ist heilbar

Gelegentlich verleihe ich für herausragende sprachliche Kreationen meinen persönlichen Pulitzer-Preis. Vergangene Woche konnte ich das gleich zwei Mal tun. Ein Preis geht an die Kollegin, die Charlotte Roches literarischen Erguss „Feuchtgebiete“ mit dem Wort „Körperteilsudoku“ bezeichnete. Treffender lässt sich der spielerische Ansatz der Erforschung weiblicher Sexualität kaum beschreiben.

Für die Laudatio zur zweiten Auszeichnung ist allerdings weiter auszuholen. Immerhin kreierte Preisträger Gerhard Maria Wagner, hauptberuflich designierter Linzer Weihbischof, ja kein neues sprachliches Kleinod.

Doch seine Wortwahl in Bezug auf gleichgeschlechtliche Liebe hat einen neuen Kalauer in den öffentlichen Diskurs gebracht, der Schöpfungen wie „Lebensmensch“ oder „Ein Quantum?“ um nichts nachsteht. Schon durften wir lesen, dass weniger Homosexualität, als vielmehr Einfalt heilbar sei. Und die nächsten Tage werden wohl noch mehrere Titelzeilen bringen, in der an ein Substantiv der Zusatz „ist heilbar“ angehängt wird.

Und wie es sprachliche Spielereien so mit sich bringen, liegt die weitere Nutzung abseits der Medien ja auch schon auf der Hand. Nach dem Vorbild von Lokalen wie der „Sonderbar“ oder der „Wunderbar“ in der Wiener City könnte ein findiger Gastronom sein neues Pub ja „Heilbar“ taufen. Das Spektrum eines solchen Etablissements könnte von der Schwulenbar (ironisch) über ein auf Magenbitter spezialisiertes Beisl in einer alten Apotheke (medizinisch) bis zum Treffpunkt Ewiggestriger (in diesem Fall eher „Sieg Heil“-Bar) reichen. In welchem dieser Pubs stieße wohl Bischof Wagner auf seinen Pulitzer-Preis an?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 16.02.2009)

Frag doch den Blähbauch

So manches Wort eignet sich maximal zum einmaligen Gebrauch. Danach sollte es zusammengeknüllt und auf die Müllhalde der Sprache gekippt werden – so wie man auch ein angeschnäuztes Taschentuch schleunigst entsorgt. Passenderweise hat seinerzeit die Werbung für ein Einweg-Taschentuch ein solches Wort in die Welt gesetzt: „Sind Sie ein Durchnieser?“ wurden da Menschen befragt, die mit einem kräftigen Tröten gerade ein Loch in das feuchte – vorher mit einem Wasserzerstäuber benetzte (!) – Tüchlein geblasen hatten. Ein Einwegwort für ein Einwegprodukt – das macht durchaus Sinn. Und konsequenterweise ist dieser Neologismus wieder so schnell aus dem Wortschatz entschwunden, wie er gekommen war.

Ein aktuelleres Beispiel muss hingegen erst einmal verdaut werden, ehe es den finalen Weg in die sprachliche Jauchegrube antreten kann. Erraten, die Rede ist vom „Blähbauch“, der seit einigen Wochen äußerst aktiv durch eine Joghurtwerbung flatuliert. Zugegeben, eine wirkliche Neukreation ist das nicht, wird der Begriff doch gerne zur Beschreibung von Meteorismus, einer übermäßigen Ansammlung von Gas im Verdauungstrakt, herangezogen. Doch im Alltag – präziser: im Werbefernsehen – war man von diesem Wegwerfwort, das wohl synonym für den frisch gefüllten Wohlstandsbauch stehen soll, bislang noch verschont geblieben. Nun, da der Tabubruch vollzogen ist, bleibt die Hoffnung, dass die mentale Verdauung möglichst schnell voranschreitet und der krampfeuphemistische Hilfsausdruck bald wieder aus unserer medialen Wahrnehmung gespült wird. Unterdessen warten wir gespannt, mit welchem Eintagswort die Werbebranche als nächstes aufwarten wird. Gibt es den Begriff Atemdeo eigentlich schon?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.02.2009)

It must have been Love im Sexshop

Kennen Sie die Text- Bild-Schere? Davon ist die Rede, wenn ein Bild und der dazu gesprochene oder geschriebene Text nicht übereinstimmen. Denken Sie zum Beispiel an den Australien-Besuch von Papst Benedikt XVI., bei dem eine Gruppe australischer Ureinwohner laut einem Bildtext „eine flotte Sohle aufs Parkett“ legte – dumm nur, dass die Aborigines-Abordnung in Wirklichkeit auf Sand tanzte.

Wie auch immer, dieses Phänomen ist auch auf anderen Ebenen gar nicht so selten anzutreffen. Besonders anfällig ist Hintergrundmusik, bei der die lyrische Komponente zu Gunsten der melodischen außer Acht gelassen wurde. „All out of Love“ von Air Supply etwa ist eine klassische Kuschelrock-Nummer, in der einer verlorenen Liebe nachgeweint wird – und die schon bei so mancher Hochzeit die Zeremonie eingeleitet hat. Na dann, viel Glück dem Brautpaar. Ähnlich unpassend wirkt es, wenn man als Besucher eines Sexshops – oje, in was rede ich mich da jetzt wieder hinein – zwischen Fetisch-Masken und Peitschen mit dem Roxette-Klassiker „It must have been Love“ beschallt wird.

Dann war da noch dieser Besuch in einer Therme – es war wirklich nur einer, oje, in was rede ich mich da jetzt wieder hinein. Gerade war Seniorenturnen angesagt. Auf einem Podium stand ein Muskelmann, der Übungen vorzeigte. Im Wasser machten die Damen und Herren eifrig die Dehnungen nach. Und während ich das Treiben beobachte, erkenne ich plötzlich die Hintergrundmusik – ein Song von Queen. Titel: „Who wants to live forever“. . . Interessantes Wellness-Konzept. Viel dümmer geht es ja wirklich nicht mehr. Oder vielleicht doch – aber zum Glück bin ich bis jetzt noch in keinem Spital gewesen, in dem in den Aufzügen „Time to say Goodbye“ gespielt wird.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 02.02.2009)