Leute, die ihr SMS mit Kürzel unterschreiben

Immer noch besser als ohne Absender, denn da könnten auch Hinz und Kunz dahinterstecken.

Effizienz ist wichtig. Bei schnellen Nachrichten per Mail, SMS oder WhatsApp sowieso. Und trotzdem wirkt es gelegentlich seltsam, wenn Freunde am Ende lediglich ein Kürzel setzen, „lg cc“ zum Beispiel. Als ob man es nicht wert wäre, mit vollem Namen verabschiedet zu werden. Und schon kullert eine Träne der Enttäuschung . . . na gut, jetzt nur nicht pathetisch werden. Immer noch besser, als den Absender ganz wegzulassen. Das ist vor allem dann spannend, wenn die Nummer des Senders nicht im Handy eingespeichert ist. Und das „Ich freu mich auf dich“ niemandem zugeordnet werden kann. Da könnten ja wirklich Hinz und Kunz dahinterstecken. Diese Redewendung für jedermann leitet sich übrigens von den Kurzformen der Namen Heinrich und Konrad ab, die im Mittelalter sehr verbreitet waren. Hätten Hinz und Kunz in England gelebt, hätte man sie dagegen Tom, Dick and Harry genannt – was insofern dumm ist, als statt zwei plötzlich gleich drei dieser jedermanns da wären. Was aber Pierre, Paul ou Jacques in Frankreich und Fulano, Zutano y Mengano in Spanien auch nicht anders gegangen wäre. Offenbar ist die deutsche Sprache da sparsamer. Meinten auch Otto Normalverbraucher und Max Mustermann, die ja beide den kleinen Mann von der Straße verkörpern. Jeder für sich einzeln, natürlich. Oder haben Sie die beiden jemals gleichzeitig im selben Raum gesehen?

Matti Meikäläinen (Matti Unsereiner) ist übrigens das finnische Äquivalent zum Platzhalternamen à la Herr und Frau Österreicher. Die gibt es auch in der Schweiz, nur dass sie dort Schweizer heißen, und nicht Österreicher. Von Herr und Frau Deutscher hat man dagegen noch kaum etwas gehört. Was aber noch immer nicht die Frage beantwortet, von wem nun das SMS geschickt wurde. Na ja, er oder sie wird sich schon wieder melden, wenn es wichtig ist. In diesem Sinne, lg eko

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 25.07.2016)

Werbung

Endlich Zeit für ein mieses Buch und schlechten Wein

Der Herbst ist schön, vor allem um diese Jahreszeit. Da kann man endlich wieder was drinnen machen.

Noch immer kein Lebkuchen im Supermarkt? Zuletzt hätte sogar das Wetter dazugepasst. Der Herbst ist ja wirklich schön, vor allem um diese Jahreszeit. Es kursierten sogar schon fast winterliche Nachrichten von einem türkischen Punsch. War aber offenbar nur ein Verhörer, der so dumm ist, dass man eigentlich gar nicht darüber reden sollte. Der eigentliche Begriff kommt übrigens aus der Schweiz. Putsch bedeutet im dortigen Dialekt soviel wie „Stoß“ oder „Zusammenstoß“. Was man nicht alles lernt, wenn man daheim vor dem Ofen sitzt und mit klammen Fingern ein altes Lexikon durchstöbert. So alt, dass es darin sogar noch die Sowjetunion gibt. Vielleicht sollte man ja mit dem Buch einmal ein Update machen, so wie der Adobe Flash Player auf dem Rechner es fast täglich vorschreibt. Nicht, dass man dann einen Unterschied merken würde, aber bitte.

Während der Rechner in den Update-Modus geht („Update 1 von 365 wird installiert. Bitte schalten Sie den Computer nicht aus.“), kann man ein paar Maroni auf den Ofen legen und sich dem herbstlichen Vergnügen hingeben. Endlich Zeit für ein mieses Buch und ein Glas schlechten Wein. (So hört man das selten, nicht wahr? Warum sagt man dann jedes Mal dazu, dass es ein gutes Buch ist? Muss man dann eigentlich ein Buch schon zum zweiten Mal lesen, weil wie will man sonst wissen, ob es gut ist? Und warum muss jedes Mal betont werden, dass man das Wochenende nützt, um einmal richtig schön auszuschlafen? Schirch ausschlafen wird man ja wohl ohnehin kaum. Apropos, schirch ist so ein Wort, das geschrieben immer schirch ausschaut, ob schiach, schiarch oder schirch. So, wo waren wir? Ach ja, Klammer zu.) Und während im Kamin die Flammen ein heimeliges Knistern erzeugen, blättert man nach guten Zitaten – und findet eines von Mark Twain: „Jeder schimpft auf das Wetter, aber keiner tut etwas dagegen.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.07.2016)

Leute, die am Ende eines Satzes „Punkt“ sagen

Der ausgesprochene Punkt nach einer Aussage ist das weltliche „Roma locuta, causa finita“.

Punktuell nerven Menschen, die einen Punkt machen. Wenn es denn wenigstens ein guter Punkt wäre, doch manche setzen ihn allzu gern als gesprochenes Stilmittel ein, um eine Aussage apodiktisch wirken zu lassen. Die Erde ist eine Scheibe, Punkt. Am liebsten würde man da ein Rufzeichen hervorziehen, um den Punkt damit zu erschlagen. Apropos, wie macht man eigentlich ein Rufzeichen richtig? Punkt vor Strich, wie man es in der Mathematik gelernt hat? (Ja, der war schlecht. Punkt.) Aber zurück zum gesprochenen Punkt am Satzende. Er suggeriert, dass damit das Ende der Debatte erreicht ist, er ist das weltliche „Roma locuta, causa finita“. Nur, dass er nicht ganz so arrogant wirkt wie ein gebieterisches „Basta“, sondern seinen harten Inhalt hinter einer sanften Maske verbirgt. Denn ein Satzzeichen an sich kann ja nichts Böses sein, nicht?

Interessant ist, dass der Punkt in der gesprochenen Sprache weitgehend konkurrenzlos ist. Kaum jemand würde einen Satz damit abschließen, lauthals „Rufzeichen!“ auszurufen. Und Leute, die das Fragezeichen am Ende einer Frage aussprechen, dürfen wohl auch zu Recht vermuten, dass sie einer ziemlichen Minderheit angehören. Von jenen, die mitten im Satz „Beistrich“ plärren, gar nicht zu reden. „Klammer auf“ und „Klammer zu“ hört man hingegen recht häufig, während Anführungszeichen eher in der nonverbalen Kommunikation eingesetzt werden – Sie wissen schon, das sind dann die Leute, die Zeige- und Mittelfinger beider Hände synchron beugen und strecken. Eine ziemlich überflüssige Geste, übrigens. Punkt.

Wer allerdings auch nur darüber nachdenkt, ausgesprochene Leerzeichen in einer Debatte als Stilmittel zu verwenden, sollte dringend einen Punkt machen. Solang er nicht am Ende des Satzes ausgesprochen wird. Klammer auf. Das geht nämlich gar nicht. Klammer zu.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 11.07.2016)

Warum muss man etwas immer scharf kritisieren?

Heute ist ja viel vom Einsparen die Rede. Wie wäre es zum Beispiel mit ein paar Adjektiven?

Als harmoniebedürftiger Mensch kommt man ja nicht so oft in die Situation, etwas scharf kritisieren zu müssen. Aber manchmal muss es eben sein. Warum, bitte schön, muss man etwas immer scharf kritisieren? Wäre es ohne nicht genauso gut? Warum muss man etwas scharf verurteilen? Warum muss ein Zeuge jemanden immer schwer belasten? Und abgesehen davon, warum muss ein Urlaub immer wohlverdient sein? Auch faule Menschen haben schließlich einen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Warum muss ein Arbeitstag immer lang sein? Warum muss jemand immer hart schuften? Da ließen sich ein paar Adjektive locker einsparen. (Ja, auch das locker.) Warum muss ein Sieger immer strahlend sein? Warum muss eine Witwe immer trauernd sein? Warum müssen Einschnitte immer schmerzhaft sein? Schon klar, die Zinsen sind niedrig und ein paar Adjektive auf dem sprachlichen Sparbuch werfen nicht viel ab. Aber beim Einsparen geht es ja auch darum, sich frei von Ballast zu machen.

Warum muss Geschrei immer laut sein? Warum muss eine Bestie immer grausam sein? Warum muss eine Eizelle immer weiblich sein? Warum muss ein Vegetarier immer überzeugt sein? Warum muss ein Muslim immer gläubig sein? Warum muss der Alltag immer grau sein? Warum muss Langeweile immer tödlich sein? Warum muss Verlangen immer brennend sein? Warum muss Vergnügen immer königlich sein? Warum müssen Wiesen immer saftig sein? Warum müssen Kinderaugen immer leuchtend sein? Warum muss Sarkasmus immer beißend sein? Warum muss Aufklärung immer lückenlos sein? Warum muss Lärm immer ohrenbetäubend sein? Warum muss Schweigen immer misstrauisch sein? Warum müssen Schreie immer gellend sein? Und warum muss ein Mord immer brutal sein? Was denn sonst, vielleicht sanft? Ich verurteile das auf das Schärfste!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 04.07.2016)