Eine Mélange-à-trois in der Millenium City

Sparen im Sinne von Geld auf die Seite zu legen, auf dass es sich vermehre, ist heute eher schwierig. Gibt ja kaum Zinsen dafür. Sparen im Sinne des Einsparens ist dafür sehr en vogue. Zuletzt hat etwa ein 14-Jähriger in Pennsylvania der US-Regierung vorgerechnet, wie sie jährlich 136 Millionen Dollar einsparen könnte, würde sie ihre Schriftstücke in einer anderen Schriftart ausfertigen – benötigt doch die Schriftart Garamond rund 24Prozent weniger Tinte als das klassische Times New Roman, stellte er fest. Hierzulande scheint das Sparen ja eher im Weglassen einzelner Buchstaben zu bestehen. „Ich kaufe ein n“, schießt es jedes Mal ins Hirn, wenn irgendwo „Millenium“ zu lesen ist. Als Lateiner ist man im Vorteil, weiß man doch, dass sich das Wort von „mille“, also tausend, und „annus“, dem Jahr, herleitet. In der falschen Schreibweise hätten wir also kein Jahrtausend, sondern vom „anus“ abgeleitet maximal tausend Darmausgänge. Ob das Einkaufszentrum Millennium City Freude damit hat, durch die Falschschreibung als „Stadt der tausend Ärsche“ dazustehen?

Auch wenn sich jemand „abschotet“, wie oft zu hören ist, sollte man ruhig in ein zweites t investieren. Das Schott kommt nämlich aus dem Schiffbau und bezeichnet eine Öffnung im Deck, die durch verriegelbare Luken verschlossen werden kann, um das Eindringen von Wasser zu verhindern. Eine Schot gibt es im Seemännischen zwar auch, doch wird damit eine Leine zum Bedienen eines Segels bezeichnet. Sich abzuschoten könnte man also maximal so deuten, dass man sich hinter dem Segel vor dem Klabautermann in Sicherheit bringt.

Gar nichts mit Sparen hat die Mélange-à-trois zu tun. Die eigentlich korrekte „Ménage-à-trois“ meint frei aus dem Französischen übersetzt „Haushalt zu dritt“ und bezeichnet eine amouröse Dreierbeziehung. „Mélange“ ist nicht mehr als eine Mischung. Kaffee mit Milch, zum Beispiel. Umgangssprachlich könnte aber auch dahinterstecken, dass man einfach zu dritt auf einen Kaffee geht. Vielleicht ja gleich in der Millenium City.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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Leute, die sagen, dass man früher gut ausgesehen hat

Selbst in Kreisen, wo es nicht üblich ist, stundenlang Familienfotos mit „aah“, „ooh“ oder „jaisternichtsüß“ zu quittieren, taucht gelegentlich ein altes Foto auf. Selbst Menschen, die nicht dazu neigen, „aah“, „ooh“ oder „jaisternichtsüß“ zu sagen, umhalbkreisen dann plötzlich den Bildschirm wie die Heiligen Drei Könige die Weihnachtskrippe. Und lassen ihre Augen glänzen, als würden sie zum ersten Mal ein Neugeborenes sehen– gerade, dass sie dabei nicht „abububu“ rufen. „Ooh, damals hast du ja noch unglaublich viele Haare gehabt“, ruft dann die eine. „Aah, du hast damals so glücklich dreingeschaut“, lustschreit die andere. Schließlich ruft die Dritte im Halbkreis: „Jaisternichtsüß! Du hast früher ja richtig gut ausgeschaut!“ Ja, früher. Vielen Dank.

In Momenten wie diesen, stellt man fest, tun sich unüberbrückbare Differenzen zur Realität auf. Man schwankt zwischen der Freude, dass man vor 15 Jahren wohl einen heißen Flirt wert gewesen wäre, und der Erkenntnis, dass man sich von der Erinnerung an damals letztlich nichts kaufen kann. „Liebes Kind, du hast die ersten grauen Haare“, würde Heinz Conrads da intonieren, aber damit anzufangen, würde dem Halbkreis wohl auch wieder nur ein mitleidiges Lächeln und eine demütigende Meldung entlocken. Daher schweigt man lieber und denkt darüber nach, ob man noch etwas mehr vom jugendlichen Erscheinungsbild in die Gegenwart hätte retten können, hätte man in den letzten Jahren auf eine ausgeglichenere Work-Work-Balance geachtet.

Legt jemand Fotos des eigenen Nachwuchses vor, ist die Gefahr übrigens nicht geringer, mit einer Meldung für Verstimmung zu sorgen. „Der schaut dir ja unglaublich ähnlich“, zum Beispiel, kann ziemlich in die Hose gehen – wenn das Kind gerade verweint und zerknautscht in die Linse stiert. In Fällen wie diesen erweist es sich als praktikabel, einfach lieber nichts zu sagen, was auch nur annähernd eine semantische Dimension haben könnte. Im Zweifelsfall also doch einfach „aah“, „ooh“ oder „jaisternichtsüß“.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 24.03.2014)

Don’t let your Hunzi brunzi on my Papers

20140310_131958Wien im Frühjahr bietet die eine oder andere olfaktorische Überraschung. Etwa die, dass die heimelige Großstadtatmosphäre einen ruralen Hauch bekommt – weil die Landwirte in und um Wien beginnen, ihre Felder mit Gülle zu veredeln. Immerhin, an anderer Front hat der milde Winter heuer dafür gesorgt, dass es keine große Überraschung gibt. Dass nämlich nicht unter dem auftauenden Schnee jene Reste auftauchen, die die Stadt Wien seit Jahren ins Sackerl zu packen anregt. Wobei diese städtische Endreimkampagne durchaus zu einer Verbesserung der Situation geführt hat. Und Menschen, die ohne Plastik über der rechten Hand ihren Hund ausführen, fast schon als Exoten gelten. Doch wie es aussieht, dräut bereits die nächste Stufe der Eskalation im tierisch-menschlichen Zusammenleben. Denn zunehmend regt sich auch Widerstand gegen die flüssige Variante, die beim Spazieren mit dem Hund eben anfällt.

„Bitte lassen Sie Ihren Hund nicht an meine Fassade pinkeln“, liest man etwa in einer Auslagenscheibe in Rudolfsheim-Fünfhaus. Mit drei Rufzeichen. „Hunde bitte hier nicht pissen lassen. Es stinkt im Laden“, prangt wiederum an der Front eines Comicgeschäfts in Neubau. Mit noch viel mehr Rufzeichen danach. Könnte sein, dass Hunde die neuen Puber werden – und die Polizei vielleicht bald einen eigenen Beauftragten zum Schutz der Hauswände vor der feuchten Bedrohung abstellt.

Aber nicht nur Hauswände, selbst die eine oder andere Verkaufsware, die in Bodennähe präsentiert wird, ist zur Zielscheibe hündischer Attacken geworden. Was mitunter für erheiternde Gegenwehr sorgt. Wie etwa vor der Trafik am Hohen Markt – dort mahnt ein handgeschriebener Zettel: „Don’t let your Hunzi brunzi on my Papers.“ Zwar mit einem Apostroph zu viel, aber das sei dem tapferen Verteidiger mit seinem polyglott-wienerischen Endreim verziehen. Der Slogan setzt sich – ähnlich wie das Gackerl-Sackerl – regelrecht im Hirn fest. Ob man im Büro von Umweltstadträtin Ulli Sima schon daran denkt, daraus eine neue Kampagne zu stricken?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.03.2014)

Leute, die beim Essen „hm“ sagen

Albin Egger-Lienz [Public domain], via Wikimedia Commons

Albin Egger-Lienz: „Der Mittagstisch“

Beim Essen spricht man nicht. Hat man zumindest als Kind so gelernt. Doch wie bei so vielen Dingen, die man in der Kindheit gebetsmühlenartig vorgetragen bekommt („Wer bei Rot über die Straße geht, ist farbenblind!“), lässt die Konsequenz, mit der man sich daran hält, mit der Zeit ein wenig nach. Was auch kein Wunder ist, schließlich ist das metallische Kratzen von Löffeln auf dem Tellerboden und das Schlürfen von Suppe nur bedingt eine spannende Audiobegleitung – vor allem, da das Geräusch selten so lange und regelmäßig anhält, dass es eine meditative Stimmung auslöst.

Gut, ein wenig wird der Redefluss auf ganz natürliche Weise gestoppt, denn mit einem Löffel im Mund oder beim Kauen fällt es ohnehin schwer, etwas Verständliches von sich zu geben. („Mit vollem Mund spricht man nicht“ hat ja doch etwas für sich.) Allerdings gibt es doch eine Äußerung, die in solchen Momenten immer wieder zu hören ist. Das „hm“. Nein, damit ist nicht das genüssliche „mmh“ gemeint, zu dem man als Kind gleichzeitig mit der flachen Hand Kreise über den Bauch gezogen hat. Auch nicht das zustimmende „mhm“, das man am Telefon verwendet, um dem Gegenüber zu signalisieren, dass man noch da ist und zuhört. Sondern einfach nur ein kurzes, mit vollem Mund gemurmeltes „hm“.

Das wiederum hat die Funktion, sich in Gesprächsposition zu bringen. Den anderen am Tisch zu signalisieren, dass man, sobald man einen Bissen geschluckt hat, etwas zu sagen gedenkt. Was je nach Kauintensität durchaus eine längere Zeit dauern kann. Ist dieses „hm“ aber einmal ausgesprochen, hat man die Gesprächssituation eingeloggt. Soll heißen, für alle anderen am Tisch bedeutet das Redeverbot. Schließlich unterbricht man jemanden, der gerade zum Reden angesetzt hat, nicht. Und so sitzt die Gesellschaft, blickt gebannt auf den „Hm“-Sager und wartet. High Noon am Mittagstisch, sozusagen. Nur hoffentlich hat man dann auch etwas Sinnvolles zu sagen. Vielleicht so etwas wie: „Beim Essen spricht man nicht.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 10.03.2014)

Wenn der Dialekt auf einmal nicht mehr da ist

Junge Innsbrucker verwenden das charakteristische „sch“ nicht mehr, das „gsi“ in Vorarlberg hört man auch seltener. Der Sprachwandel fordert seine Opfer. Aber das muss nicht unbedingt ein Verlust sein.

In Tirol sagt man „Öschterreich“. Briefe wirft man ins „Poschtkaschtl“. Und auch bei der Schwester haben nach dem „s“ ein „c“ und ein „h“ zu folgen. Aber wie lange noch? Als die Innsbrucker Sprachwissenschaftlerin Irina Windhaber kürzlich ein Ergebnis ihres Dissertationsprojekts veröffentlichte, war die Aufregung groß. Schließlich fand sie heraus, dass das für Tirol so charakteristische „isch“ zunehmend seltener wird. Zumindest im Raum Innsbruck, den sie untersuchte, sprechen junge Menschen das „s“ zunehmend ohne „ch“ danach aus. So sagen sie plötzlich „Österreich“, werfen Briefe ins „Postkastl“ und sagen: „Mei Schwester is krank.“ Tirol ohne „isch“, gerät man ins Grübeln – da fehlt doch etwas. Das wäre ja fast so, als würde man in Vorarlberg plötzlich auf das charakteristische „gsi“ verzichten.

Nun, das könnte passieren. Denn der für Vorarlberg so typische Begriff für „gewesen“ scheint langsam seinen Weg ins sprachliche Ausgedinge anzutreten. In seiner Diplomarbeit stellte der Germanist Lukas Österle unter anderem fest, dass sich in seiner Heimatgemeinde Wolfurt zunehmend das „war“ anstelle des „gsi“ durchgesetzt hat. Und er prognostiziert, dass der Begriff über kurz oder lang wohl aus dem Vorarlberger Dialekt verschwinden wird.

„Rettet das Gsi“. Es sind zwei Arbeiten, die nur einen kleinen Teil der österreichischen Sprachlandschaft untersucht haben. Aber beide sind Arbeiten, die eine Befürchtung wecken. Dass nämlich ein wichtiger Teil der österreichischen Identität zunehmend verloren gehen könnte – die Sprache, genauer gesagt, der Dialekt. Wobei es natürlich vermessen ist, von einem einzelnen österreichischen Dialekt zu sprechen, vielmehr sind es unzählige regionale Dialekte mit unterschiedlichsten Eigenheiten. Vom umgangssprachlich liebevoll „Bellen“ genannten steirischen Dialekt bis zum typischen Vorarlberger Diminutiv mit dem „le“ am Ende. Dass diese und weitere sprachliche Charakteristika aus dem Land verschwinden könnten, sorgt jedenfalls bei vielen für Unbehagen.

So war Österles Arbeit etwa Grund genug, dass eine Facebook-Initiative namens „Rettet das Gsi“ gegründet wurde. Auch eine Gruppe „Rettet unsere österreichischen Dialekte“ hat sich im Internet formiert. Und auch abseits der virtuellen Welt gibt es immer wieder Initiativen, die sich der Rettung der österreichischen Mundart verschreiben – zuletzt vergab etwa das Magazin „News“ Patenschaften für Dialektwörter, auf dass die „Kombinege“ oder der „Bluzer“ nicht vergessen werden. Kurz, es scheint eine gewisse Angst um die Sprache vorhanden zu sein. Und das nicht nur in Österreich – in Bayern gibt es etwa Bayerisch-Kurse, in denen Kinder lernen, dass sie zur Karotte „geibe Ruabn“ sagen und eine angedrückte Birne als „zerbatzelt“ bezeichnen sollen. Auch in der Schweiz versucht man, schon bei den Jungen anzusetzen – so führte etwa der Kanton Zürich 2012 Schweizer Mundart als alleinige Unterrichtssprache im Kindergarten ein.

Aber ist die Furcht tatsächlich berechtigt, dass regionale Dialekte aussterben und man irgendwann bei einer Einheitssprache landet? „Da sind schon Erosionsprozesse im Gang“, sagt Hannes Scheutz, Sprachwissenschaftler an der Uni Salzburg. Wobei es vor allem die Städte sind, in denen einzelne Merkmale eines Dialekts verschwinden – oder besser gesagt, sich wandeln. Beobachten lässt sich das etwa am „l“, das in zahlreichen österreichischen Dialekten zum Vokal wird – aus dem „Wald“ wird etwa der „Woid“. Spricht nun ein Salzburger vom „Spielen“, wird es in seinem Dialekt zum „Spün“. Die eigentliche Form im Salzburger Dialekt, so Scheutz, sei aber eigentlich „Spin“. Diese Aussprache finde man aber nur mehr bei älteren Menschen, vornehmlich Bauern, am Stadtrand. „Wenn ich meinen Studenten Aufnahmen davon vorspiele, schütteln die ungläubig den Kopf und sagen: ,Das ist nicht Salzburgerisch. So sagt das doch kein Mensch.‘“

Um die Vielfalt der Dialekte im alpenländischen Raum zu dokumentieren, hat Scheutz einen eigenen Dialektatlas (www.argealp.org/atlas) erstellt, in dem es unter anderem einen Vergleich der Generationen gibt. Anhand der Hörbeispiele lässt sich erkennen, wie unterschiedlich ältere und jüngere Menschen sprechen. Wobei die Unterschiede in manchen Regionen größer, in anderen kleiner sind. „In den alpinen Gebieten erodiert es weniger stark als auf dem flachen Land“, sagt Scheutz. Was einerseits damit zu tun habe, dass in engen Tälern weniger Einflüsse von außen kommen, man sprachlich eher unter sich bleibt. Und andererseits auch durch eine Ortsloyalität verbunden sei: „Im alpinen Gebiet freuen sich die Menschen, wenn ich ihren Dialekt aufzeichne. Auf dem flachen Land in Niederösterreich habe ich auch schon zu hören bekommen: ,Was wollt ihr denn von uns wissen? Wollt’s schauen, wie blöd wir sind?‘ Da spiegelt sich schon ein anderes Sprachbewusstsein.“ Wandelt sich der Dialekt, ist das allerdings ein ganz natürlicher Prozess. Durch die Mobilität der Menschen verbreitet sich Sprache, mischt sich und bildet neue Formen. Die verschiedenen Arten, Dinge auszusprechen, beeinflussen sich gegenseitig und nähern sich einander an.

Das „Tschüss“. Vor allem im österreichischen Donauraum gab es in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmende Tendenz zur Vereinheitlichung der Sprache. Und auch der Einfluss des Bundesdeutschen durch Medien und Zuwanderung färbt auf die Sprachgewohnheiten in Österreich ab – „Tschüss“ wird mittlerweile sogar in so mancher ländlichen Region zur Verabschiedung verwendet.

Starke Veränderungen bringt auch die Migration nichtdeutschsprachiger Menschen mit sich. Hier vermischen sich Einwandererdialekt und regionaler Dialekt zu neuen Formen der Sprache. Da etwa das Türkische keine Artikel und Präpositionen kennt, entstehen unter Jugendlichen mit türkischen Wurzeln Sätze wie das geflügelte „Gemma Billa“. Und Elemente dieses Stils haben jüngere Wiener mittlerweile auch schon übernommen. „Ob ich das beklage?“ Susi Stach ist Dialektcoach, hat unter anderem Daniel Brühl beigebracht, wie Niki Lauda Wienerisch zu sprechen. „Ich fände es schade, wenn Wienerisch als Sprache völlig verschwinden würde, weil es tolle Ausdrücke gibt.“ Allein die vielen Ausdrücke, die man in Wien für das Sterben kennt – vom „Bankl reißen“ bis zum „Patschen strecken“ – bereiten ihr regelmäßig großes Vergnügen. Auf der anderen Seite ist selbst ihr, die den Wiener Dialekt nicht nur aus beruflichen Gründen liebt, auch klar, dass Sprache sich ändert – sich ändern muss. „Sonst wäre es ja traurig.“

Diese Einsicht ist es auch, die den Umgang mit dem Dialekt wohl oder übel prägen muss. Sprachliche Entwicklungen lassen sich auf lange Sicht nicht aufhalten. Weil Sprache kein monolithischer Block ist, sondern sich ständig bewegt, sich ständig verändert. Und das, was wir unter dem Dialekt verstehen, den man immer schon so gesprochen hat, auch nur ein räumliches und zeitliches Abbild einer bestimmten Generation ist. Für ältere Generationen mag es wie ein Verlust wirken, wenn einzelne sprachliche Eigenheiten verschwinden. Die Jüngeren werden wohl auch so gut leben – und ihre Briefe einfach ins „Postkastl“ werfen. So lange es das noch gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.03.2014)

Eine nicht ausschließlich begünstigende Änderung

Was heute nicht richtig ist, kann morgen schon ganz falsch sein. Was häufig mit dem Versuch einer Rechtfertigung endet, die ihr Heil im Satanismus findet – einem kindlich-comicartigen, zugegeben. Aber warum fällt es eigentlich so schwer, einen Fehler zuzugeben? Warum wird, statt das eigene Versagen einfach einzugestehen, ständig die metaphysische Gestalt des Fehlerteufels aus dem Schattenreich heraufbemüht. Oje, hat er sich also wieder eingeschlichen, der kleine Racker – vielleicht auch noch mit einem Diminutivchen auf harmlos getrimmt, das kleine Fehlerteuferl! Jö, schau wie lieb es da steht in seinem Rauchwolkerl…

Möge das Teuferl, wenn es schon zum Kaschieren des eigenen Unvermögens aus seinen feurigen Träumen gerissen wurde, gleich auch an anderer Stelle aufräumen. Etwa bei jenen, die in ihren Schriften jemanden „etwas zum Besten geben“ lassen. Bei denen, die davon berichten, dass bei einer Veranstaltung jemand „das Tanzbein schwingt“. Und auch bei jenen, die von „Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur“ schwadronieren, die „Alt und Jung“ oder gar „exotische Schönheiten“ vor den „heimischen Köstlichkeiten am Buffet“ auftreten lassen. Und auch bei all den anderen, die das Phrasenschwein so lange von der Leine lassen, dass es beim Wälzen im sprachlichen Unrat derart viele nichtssagende Allgemeinplätze um sich schleudert, dass es damit all die Kommunikationskonsumenten mit verbalem Schmutz bewirft.

Möge der Fehlerteufel gleich auch all jene mit dem Dreizack piksen, die für Internetprovider, Mobilfunkbetreiber oder wen auch immer Briefe an Kunden verschicken, die in unverbindlichstem Beamtendeutsch damit beginnen, dass in Bälde „eine nicht ausschließlich begünstigende Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ in Kraft trete. Was nichts anderes ist als der kleine Bruder des Fehlerteuferls, der hinter seinem Rücken eine Preiserhöhung zu verbergen sucht. Jö, schau, wie lieb es da steht in seinem Rauchwolkerl…

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.03.2014)