Das Schwedenbombe geht mir auf den Keks

Eine Dissertation sollte eine selbstständig verfasste Arbeit sein, die in der Regel vom aktuellen Forschungsstand ausgehend einen Wissenszuwachs enthalten soll. Sie sollte so eigenständig gestaltet sein, dass sie auch ein paar Jahrzehnte nach ihrer Entstehung einer Prüfung auf ihre handwerkliche Qualität gewachsen ist. Und schließlich schadet es auch nicht, wenn das Thema der Arbeit eine gewisse wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz hat. Eine Dissertation mit dem Titel „Die Repräsentation der Schwedenbombe in der deutschsprachigen Popmusik“ wäre also vermutlich nicht würdig. Schade, schließlich waren die in Schokolade gehüllten Schaumungetüme in den vergangenen Tagen – Achtung, Kalauer! – in aller Munde. Auf YouTube tauchte ein Schwedenbomben-Song (Auszug aus der Endreimschlacht: „Echte Bomben sind gefährlich, die vom Niemetz unentbehrlich“) auf. Andere wiederum gruben aus dem Archiv Heli Deinboeks „Killer vom Billa“ aus, in dem sich folgende Zeile findet: „Der Austro-Terrorismus hat a Goschen voller Plomben. In Irland werfens echte, doch bei uns nur Schwedenbomben.“

Dann also doch lieber ein anderes Dissertationsthema. Eine wissenschaftlich höchst relevante Fragestellung wäre etwa, warum Kekse in Deutschland (außer in Bayern) männlich, in Österreich dagegen sächlich sind. Und warum einem Menschen, obwohl es doch „das Keks“ heißt, auch hierzulande „auf den Keks gehen“ können. Warum können die Nervensägen ihren Spaziergang nicht auf „das Keks“ verlegen? Und warum kann ein Keks im Sprachgebrauch überhaupt die Rolle der neurologischen Leiter im Körper übernehmen? Wenn das mürbe Backwerk das kann, dann müsste das doch ein schokoüberzogenes Schaumgebäck auch zusammenbringen. „Du gehst mir auf das Schwedenbombe“ also. Apropos, seit wann gibt es eigentlich bei Ikea keine Schwedenbomben mehr?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 11.02.2013)

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Walking in a Winter Wonderland

Vielleicht treiben Sie gerade auf einer Luftmatratze über die Alte Donau, vielleicht sitzen Sie mit einem Glas eiskalter Limonade auf dem Balkon oder packen gerade den Korb für ein Picknick im Augarten. Es sind Momente, in denen man sich wohlfühlt, Momente des Genusses, die man am liebsten bis in die Ewigkeit ausdehnen würde. Doch es ist eine trügerische Ruhe, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Denn schon am Donnerstag steht die Sonne genau über dem Wendekreis. Soll heißen, ab dann werden die Tage wieder kürzer. Für unzählige Menschen ist das das Zeichen, um in die Mid-Year-Crisis zu verfallen. Denn plötzlich ist absehbar, dass vielleicht gar nicht mehr so viele Tage kommen werden, an denen man abends nur mit T-Shirt im Freien sitzen kann. (Es gibt ja Menschen, die behaupten, dass es in Ostösterreich im ganzen Jahr nur maximal zehn solcher Tage gibt, aber das nur nebenbei.) Natürlich, der eine oder andere Badetag wird sich schon noch ausgehen, ein paar schöne Momente werden schon noch drinsein. Doch im Grunde ist man sich bewusst, dass es bergab geht. Dass der Herbst kommt. Schon bald werden die Heurigen wieder Sturm ausschenken. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis die ersten Maronibrater ihre Holzhütten und Öfen wieder aus dem Lager holen. Und ehe man sichs versieht, strecken den unbedarften Einkäufern im Supermarkt schon Lebkuchen und Weihnachtskekse ihre winterliche Fratze entgegen.

Ein lächerlicher Gedanke? Mitnichten! Aber wiegen Sie sich ruhig weiter in Sicherheit, treiben Sie nur weiter auf Ihrer Luftmatratze, trinken Sie einen Schluck eiskalter Limonade oder packen Sie Ihren Picknickkorb. Aber wenn die Blätter zu Boden fallen, ein Schneesturm über die Stadt hinwegfegt und Sie bibbernd vor Kälte „Walking in a Winter Wonderland“ vor sich hinflüstern, dann sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.06.2012)

Das ist der Weg, wie das Keks zerbröselt

Die Geschichte des Kekses ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Zunächst einmal jenes, dass es sich bei ihm sowohl um ein Männchen als auch um ein Sächchen (sagt man so zu geschlechtsneutralen Dingen?) handeln kann. So ist er in Deutschland der Keks, während es in Österreich das Keks heißt. Abgesehen davon versteht man in den beiden Ländern völlig unterschiedliche Dinge darunter – im Norden ist damit das zackige, mürbe Gebäckstück à la Butterkeks gemeint, während hierzulande jegliche Form von Gebäck darunter verstanden wird. Vanillekipferln & Co. bezeichnet der Germane hingegen als Plätzchen, was sich aus dem Diminutiv des aus dem Lateinischen stammenden placenta (Kuchen) ableitet.

Am Keks offenbart sich aber auch eine weitere österreichische Eigenheit, nämlich die überproportionale Verwendung des Buchstaben x in der gesprochenen Sprache. Was beim Kex ja wenig Konsequenzen hat, bei Wörtern mit einer ch-s-Kombination jedoch zu Missverständnissen führen kann. So kann es durchaus passieren, dass die Zahl sechs in der Aussprache wie der Begriff für geschlechtliche Handlungen klingt. Ein Klassiker, der unter Schenkelklopfern schon einige Beliebtheit erreicht hat. Klassisch ist auch die lachse (haha) Aussprache des beliebten Speisefisches oder die Verwechslung von Deutschlands Wildtier des Jahres 2010 (ja, das gibt es wirklich) mit dem ebenso deutschen Aktienindex DAX. (Das Wildtier 2011 ist übrigens der Luchs, was wieder lustige Verwechslungen mit der Beleuchtungsstärke garantiert.)

Dumm ist nur, wenn jene wenigen Sprachpuristen, die die ch-s-Kombination korrekt aussprechen, gedankenlos einen Schritt zu weit gehen. Denn mit Sachsofonisten und Bochsern sollte man keine Fachsen machen. Von Kechsen gar nicht zu reden.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.12.2010)

Die Verdauung der Engel

Was ist das für eine Kugel unter dem Engel?

Was ist das für eine Kugel unter dem Engel?

Irgendjemand in Linz muss Humor haben. Nicht anders ist zu erklären, warum sich ein Weihnachtsengel auf der Landstraße ganz entspannt eines leuchtenden Kügelchens entledigt. Könnte natürlich ein Zufall sein. Oder einfach Unvermögen. So wie auch meine selbst fabrizierte Weihnachtsbäckerei eher in die Hose ging: Die finnischen Weihnachtssterne mit Pflaumenmarmelade haben frappante Ähnlichkeiten mit einem Mutterkreuz und die Most-Kekse und Vanillekipferl nach Rezepten aus „Prato. Die gute alte Küche“ (Pichler Verlag) entpuppen sich als hart wie Krupp-Stahl. Dass die Weihnachtskekse damit unfreiwillige Boten einer ideologischen Neuausrichtung von Weihnachten hin zum Julfest sein könnten, will ich mir dann aber lieber doch nicht nachsagen lassen.

Genauso wenig lasse ich mir nachsagen, dass ich etwas gegen Weihnachten habe – jetzt, wo schließlich jeder darüber raunzt. Nein, nein, das ist schon in Ordnung, dass jeder zweite Vorgarten beleuchtet ist wie die Landebahn fürs Christkind. Das ist schon ok, dass ich in der voll besetzten U-Bahn an einem Fichtenzweig knabbern darf. Und dass irgendwo zwischen Tür und Angel lautstark die Besinnlichkeit beschworen wird, können auch nur Zyniker falsch verstehen.

Also, genießen Sie die letzten Tage vor dem Fest, etwa bei der „Supernacht der Weihnachtsstars“ im Rabenhof (3, Rabeng. 3) mit Maurer, Votava, Haipl & Co. Denn hier wird das Weihnachtsfest äußerst originell mit Bud Spencer und Terence Hill verknüpft. Ja, auch irgendjemand in Wien dürfte Humor haben.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.12.2006)