Wie ein Badeschwamm Sänger von AC/DC wurde

Mitreden wollen, ohne vom Thema allzu viel Ahnung zu haben, kann zu Anekdoten führen, die irgendwann in einer Kolumne landen. Ein solcher Warnhinweis hätte vielleicht auch jener jungen Dame mit nur rudimentärem Interesse an Rockmusik geholfen, um die es sich hier drehen soll. Aber beginnen wir von vorn, nämlich bei einer Phrase, die unter Musikinteressierten zum absoluten Standardrepertoire gehört, nämlich „die alten Sachen“. Kaum eine Diskussion kommt ohne sie aus – „Iron Maiden sind schon gut, aber wirklich genial sind nur die ersten beiden Alben, die alten Sachen halt“, zum Beispiel. Mal wird kritisiert, dass die Psychedelic-Rocker Pink Floyd nach dem Rauswurf von Syd Barrett nie mehr so richtig gut wurden. Ein anderes Mal wird Schockrocker Alice Coopers Werk gelobt – „aber nur bis 1975, die alten Sachen halt“. Und immer wieder hört man auch Kritik, dass die australischen Rocker AC/DC mit Sänger Brian Johnson nie so toll sein können, wie sie es noch mit dem alten Sänger waren. Ja, mit Bon Scott, der 1980 an seinem eigenen Erbrochenen erstickte, da klangen sie halt noch ganz anders, lautet dann das Lamento.

Verbringt man nun seine Zeit mit derlei musikalischen Phrasendreschern, bleibt einiges davon hängen, zumindest in Teilen. Und das kann bei Bedarf, oder wenn es zumindest nach einem Bedarf aussieht, auch schnell reproduziert werden. Also ging eines Tages eine kleine Truppe rockmusikbegeisterter Menschen, unter ihnen auch die eingangs erwähnte junge Dame, in ein Lokal. Als aus den Lautsprechern plötzlich ein hartes Gitarrenriff erklang und sich danach ein kreischender Gesang erhob, da sah sie ihre Chance gekommen, endlich auch einmal auftrumpfen zu können. „Die klingen wie AC/DC“, rief sie begeistert in die Menge. „Aber noch so wie die alten, ihr wisst schon, die mit Spongebob!“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 25.02.2013)

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Bitte während des Essens keine Fotos zu machen

Es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, Menschen fotografisch in ein schlechtes Licht zu rücken, als sie beim Essen abzulichten. Im besten Fall drückt man genau in jenem Moment ab, in dem die Gabel kurz davor ist, das Stück in den weit aufgerissenen Mund zu laden. Viel hilfloser kann man kaum wirken, fast wie ein Hund, der sich bei Gefahr auf den Rücken legt und seine Weichteile dem Feind als Friedensangebot darlegt. Den Blick starr geradeaus gerichtet, vielleicht verschwindet die Pupille sogar ein wenig unter dem Augenlid, die Zunge tastet sich gerade vor zum Bissen, die leicht nach vorn gebeugte Haltung verkürzt ihr dabei den Weg – nun, das ist nicht unbedingt die Pose, in der sich Models auf dem Titelblatt von „Vanity Fair“ üblicherweise präsentieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich manche Speisen einfach nicht dazu eignen, würdevoll konsumiert zu werden. Nudeln zum Beispiel. Beim Verspeisen eines Asia-Nudel-Snacks sollte man tunlichst darauf achten, dass vorher alle Menschen in der Umgebung ihre Kameras abgeben. Besonders bitter ist es bei Bucatini, den spaghettiartigen Teigwaren, die innen hohl sind – denn will man sie aufsaugen, wirken sie wie ein Strohhalm. Soll heißen, man saugt viel Luft – und ein bisschen Sugo – in den Mund, die Nudel selbst hängt weiter in voller Länge aus dem Gesicht. Es sind böse Menschen, die in einer solchen Notlage nicht zur Schere greifen, um dem bedauernswerten Nudelopfer zu Hilfe zu eilen, sondern das Handy zücken und den entwürdigenden Moment für die Nachwelt festhalten.

Doch manchen Opfern der Fütterungspaparazzi scheint das gar nichts auszumachen – sie stellen die Bilder sogar noch auf Facebook… Sieht danach aus, dass die Food-Pornografie, bei der nur das Essen selbst abgelichtet wird, eine Steigerung erfahren hat. Wird spannend, wann bei Facebook die ersten Bilder auf der Toilette zu Profilbildern gemacht werden.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.02.2013)

Das Schwedenbombe geht mir auf den Keks

Eine Dissertation sollte eine selbstständig verfasste Arbeit sein, die in der Regel vom aktuellen Forschungsstand ausgehend einen Wissenszuwachs enthalten soll. Sie sollte so eigenständig gestaltet sein, dass sie auch ein paar Jahrzehnte nach ihrer Entstehung einer Prüfung auf ihre handwerkliche Qualität gewachsen ist. Und schließlich schadet es auch nicht, wenn das Thema der Arbeit eine gewisse wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz hat. Eine Dissertation mit dem Titel „Die Repräsentation der Schwedenbombe in der deutschsprachigen Popmusik“ wäre also vermutlich nicht würdig. Schade, schließlich waren die in Schokolade gehüllten Schaumungetüme in den vergangenen Tagen – Achtung, Kalauer! – in aller Munde. Auf YouTube tauchte ein Schwedenbomben-Song (Auszug aus der Endreimschlacht: „Echte Bomben sind gefährlich, die vom Niemetz unentbehrlich“) auf. Andere wiederum gruben aus dem Archiv Heli Deinboeks „Killer vom Billa“ aus, in dem sich folgende Zeile findet: „Der Austro-Terrorismus hat a Goschen voller Plomben. In Irland werfens echte, doch bei uns nur Schwedenbomben.“

Dann also doch lieber ein anderes Dissertationsthema. Eine wissenschaftlich höchst relevante Fragestellung wäre etwa, warum Kekse in Deutschland (außer in Bayern) männlich, in Österreich dagegen sächlich sind. Und warum einem Menschen, obwohl es doch „das Keks“ heißt, auch hierzulande „auf den Keks gehen“ können. Warum können die Nervensägen ihren Spaziergang nicht auf „das Keks“ verlegen? Und warum kann ein Keks im Sprachgebrauch überhaupt die Rolle der neurologischen Leiter im Körper übernehmen? Wenn das mürbe Backwerk das kann, dann müsste das doch ein schokoüberzogenes Schaumgebäck auch zusammenbringen. „Du gehst mir auf das Schwedenbombe“ also. Apropos, seit wann gibt es eigentlich bei Ikea keine Schwedenbomben mehr?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 11.02.2013)

Schönen Tag noch!

Wann hat es sich eigentlich eingebürgert, dass man beim Verlassen eines Geschäfts immer ein „Schönen Tag noch!“ nachgerufen bekommt? Früher hat ja auch „Auf Wiedersehen“ gereicht. Doch mittlerweile scheint die austrifizierte Version des angloamerikanischen „have a nice day“ zum Pflichtprogramm in Verkäuferausbildungsseminaren zu gehören. Rein inhaltlich mag das ja noch einen Sinn haben (Sinn „machen“ darf es ja nicht, böser Anglizismus!), wenn der Käufer mit fröhlichem Grinsen seinen Champagner am Tresen einpackt oder voller Vorfreude ein neues Computerspiel in die Tasche steckt. Doch spätestens beim Verlassen der Apotheke mit einer Doppelpackung Erkältungstabletten unterm Arm und einer laufenden Nase hat diese Verabschiedung eine eher zweifelhafte Komik. Abgesehen davon, was soll dieses „noch“ am Ende überhaupt bedeuten? Ist damit der verbleibende Resttag gemeint? Steht es für ein „außerdem“? Oder verbirgt sich dahinter die implizite Drohung, dass der nette Wunsch irgendwann nicht mehr gültig sein könnte? „So, diesmal keinen schönen Tag mehr, ätsch!“

Und noch etwas: Gab es Kundenstalking früher auch schon so penetrant? Man betritt das Schuhgeschäft – „Kann ich helfen?“ – „Danke, ich schau nur!“ Und von diesem Moment an hat man den Verkäufer immer im Abstand von eineinhalb Metern hinter sich. Schnell links andeuten – nach rechts gehen. Er ist immer noch da. Einen Schuh in die Hand nehmen – er schaut von hinten zu. Hinter dem Regal verstecken – er lächelt plötzlich um die Ecke. Hinsetzen, um einen Schuh zu probieren – schon pendelt ein Schuhlöffel vor dem Gesicht. Den eigenen Schuh wieder anziehen – der Verkäufer hilft beim Maschenbinden. Aufspringen, Richtung Ausgang hetzen – der Verkäufer läuft hinterher. Die Schiebetür geht auf, schnell raus in die Freiheit – der Verkäufer bremst scharf kurz vor der Türschwelle, wippt nach wie der Roadrunner. Nichts wie weg hier! Der Verkäufer ruft: „Schönen Tag noch!“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 04.02.2013)