Spontane Interjektion im Angesicht des Hundekots

Da stand sie also vor dem Haufen aus Hundekot, den an der Oberfläche genau die gleiche Musterung zierte wie die Sohle ihres linken Sportschuhs, und sprach das Wort aus, in dessen reale Inkarnation sie gerade getreten war. Allzu verständlich, doch in den Augen vieler Leser vermutlich unpassend, weswegen wir uns jetzt vorstellen, dass sie anstelle des vulgären Begriffs für Kot einen anderen Begriff des Ekels in den Mund genommen hat. Sagen wir, es war „Igitt!“ Diese Vorstellung wirft allerdings gleich wieder eine Frage auf, schließlich will man in einer solchen Situation ja auch wissen, auf welchen etymologischen Pfaden man gerade sein Missfallen kundgetan hat.

Hier kann geholfen werden. „Igitt“ ist eine Interjektion, ein wortähnliches Lautgebilde, mit dem eine Empfindung ausgedrückt werden kann. Linguisten geht davon aus, dass es sich um eine verhüllte Fassung von „Oh Gott“ handelt – schließlich wollte man den Namen Gottes in einem Ausdruck des Missfallens nicht direkt aussprechen. Das ändert sich auch nicht durch Verdoppelung, denn sowohl die Ausrufe „Igittigitt“ als auch „Oh Gott, oh Gott“ sind überliefert. Das englische Äquivalent zu „Igitt“ lautet übrigens „yuck“ – diese Äußerung von Ekel stammt vermutlich aus dem neufundländischen Begriff für „sich übergeben“.

Im Deutschen bietet sich neben dem „Igitt“ auch noch „Pfui“ an, das etymologisch möglicherweise von „pfiuche“ – im Mittelhochdeutsch so viel wie „stinken“, hergeleitet wird, oder einfach nur die lautmalerische Nachahmung des Geräusches beim Ausspucken ist. Gelegentlich schüttelt man sich angesichts des Ekels auch mit „Brrr“, vielleicht auch mit „Wääh“, deren etymologische Wurzeln wir jetzt aber einfach links liegen lassen wollen. Denn seien wir ehrlich, Sie würden vermutlich genauso einfach „Scheiße“ sagen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.03.2011)

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Bitte nicht in den Hundehaufen zu treten

Allzu gern lässt der Wiener seinen Unmut an die Oberfläche, wenn etwas da ist, was nicht unbedingt dorthin gehört, wo er es gerade erspäht hat. Es erschüttert ihn mehr in seinen Grundfesten als weltpolitische Ereignisse wie die Revolution in Ägypten und es sorgt für mehr Furchen auf seiner Stirn als Staatsschulden von fast 200 Milliarden Euro. Das, was da liegt – und das ein Hundebesitzer vorher nicht mit einem Plastiksack von der Straße gekratzt hat.

Nun muss man der Stadt Wien zugute halten, dass es in den letzten Jahren immer seltener vorkommt, dass ein Hundehalter das dampfende Etwas einfach liegen lässt. Zunehmend ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, die Haufen fachmännisch abzutragen – es hat sich so etwas wie ein Bewusstsein gebildet. Und das alles dank eines in Wirklichkeit schwachsinnigen Slogans, der sich in die Gehirngänge der Menschen eingebrannt hat: „Nimm ein Sackerl für mein Gackerl.“ Es scheint, dass der Wiener Hundebesitzer genau darauf gewartet hat, mit einem derart primitiven Reim, der irgendwo zwischen plumper Politparole und Musikantenstadl pendelt, erzogen zu werden.

Die Wiener Linien beschreiten zum Glück einen anderen Weg. Sie weisen ab Mittwoch mit Piktogrammen auf die Gefahren hin, die in der U-Bahn lauern. Auf einem Bild wird ein Strichmännchen in der Tür eingeklemmt, auf einem anderen tappt es genau in den Spalt zwischen Bahnsteig und Zug – und bei beiden Bildern vermittelt ein roter Stern, dass das ein bisschen wehtun könnte. Ob sich der Wiener U-Bahn-Passagier dadurch davon abhalten lässt, in die sich schließende Tür hineinzuhechten, sei dahingestellt. Aber es ist zu hoffen – sonst droht künftig eine Durchsage à la „Sackerl-Gackerl“ in jeder Station. Wobei, „Halt, da ist ein Spalt“ hat ja fast schon wieder etwas.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.01.2011)

Hundekot unterm Weihnachtsbaum

Eine gewisse Kreativität kann man dem Wiener Rathaus nicht absprechen. Nachdem sämtliche Initiativen, den Hundekot von der Straße zu bekommen, von wenig Erfolg gekrönt waren, beschreitet Umweltstadträtin Ulli Sima einen neuen Weg: Hundekot als Weihnachtsgeschenk. Wie sonst ist die Aktion „Nimm ein Sackerl für dein Packerl“ zu verstehen, die seit kurzem propagiert wird. Sehr konsequent, wurden doch beim ersten Teil („Nimm ein Sackerl für mein Gackerl“) weniger die Hundstrümmerl selbst, sondern die putzigen Aufsteller in Hundeform Opfer menschlicher Sammelwut. Dass einem roten Sackerl mit aufgedrucktem Engel das gleiche Schicksal blühen könnte, ist unwahrscheinlich. Schließlich erfüllt ein Sackerl ohne Inhalt nicht im geringsten seine Daseinsberechtigung. „Der hübsche rote Sack ist ein aktiver Beitrag zur Abfallvermeidung“, so Sima.

Wir warten also schon darauf, dass statt der Hundekotsäckchen aus Plastik die roten Stoffsäcke in die 315 Automaten der Stadt gefüllt werden. Aber leider, so konsequent ist die Kampagne doch nicht. Denn Hundebesitzer müssen erst zum Wiener Christkindlmarkt, um am „natürlich Wien“-Stand eines der Sackerl in drei verschiedenen Größen erstehen zu können. Ab einer Spende von 3 Euro ist man dabei. Ein bisschen viel, um den Auswurf von Bello & Co abtransportieren zu können? Natürlich nicht. Denn, so Ulli Sima stolz: „Der Stoffsack kann über viele Jahre immer wieder verwendet werden.“ Ganz genau, und außerdem kann man damit ja auch andere Geschenke verpacken.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 30.11.2007)