Darum musste KHG Haare lassen

Zuletzt wurde an dieser Stelle immer wieder Pe ter Westenthaler wegen seiner Frisur geprügelt. Nun, das war zwar berechtigt, doch blieb dabei des Finanzministers Mähne völlig außer Acht. Dabei würde man doch gerade Karl-Heinz Grasser jederzeit einen Posten als Generalsekretär der Bad Hair-Foundation zutrauen. Doch siehe da, plötzlich dürfte der feinsinnige politische Stratege bemerkt haben, dass selbst Jon Bon Jovi seit Ende der 90er keine derartige Tolle mehr öffentlich ausführt, und erschien plötzlich mit strengem Seitenscheitel über der Denkerstirn beim Banken-Untersuchungsausschuss.

Was war geschehen? Vermutlich hat KHG plötzlich bemerkt, dass sein Friseur ein Scharlatan sein muss, der lediglich ein paar Mal mit der Schere durch die Luft schnippelte und dann vollmundig appellierte: „Ich ersuche Sie ganz dringend, sich frisiert zu fühlen.“ Oder aber er hatte gar keinen Coiffeur auf der Payroll, sondern ließ einfach seinen Pressesprecher an die Frisette – natürlich in dessen Freizeit, als Freundschaftsdienst. Auf platte Meldungen wie „Wer solche Freunde hat . . .“ wollen wir uns jetzt gar nicht einlassen. Vielmehr sollten wir überlegen, wie KHG seinen Stilwechsel finanzieren konnte. Geht der Schluss, dass ein Seitenscheitel im Zeugenstand zu mehr Glaubwürdigkeit verhilft, auf die Dienste einer externen Beraterfirma zurück? Oder wurde gar ein Verein zur Förderung menschenwürdiger Frisuren ins Leben gerufen? Wie auch immer, einen Titel wird KHG wohl weiter innehaben: Minister des schönen Äußeren.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.11.2006)

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Raucher sind arme Schweine

Raucher sind arme Schweine, denn sie sind vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind weniger jene, die ob ihrer rußgeschwärzten Bronchien plötzlich unvermittelt umkippen. Nein, die Verantwortung dafür tragen andere, nämlich jene, die hemmungslos gegen die rauchenden Ratenselbstmörder zu Felde ziehen. Da wären zum einen die Amerikaner: „Brandon, ich bin enttäuscht von dir“, hört man etwa von entsetzten Eltern in rührseligen Nachmittags-Sitcoms, wenn der Teenie-Sohn am Dachboden mit seiner ersten Zigarette erwischt wurde. Da wären zum anderen profilierungssüchtige Gesundheitspolitiker, die mit Verboten dem Aussterben einer ganzen Gattung Vorschub leisten. Und dann wären da auch noch Greenpeace, WWF und sonstige Organisationen, die sonst jedesmal wild zu toben beginnen, wenn irgendwo im hintersten Tadschikistan die Population einer Nebenart der syrischen Wüstenspringmaus unter zweihundert Exemplare fällt. Hallo, die Raucher sind tatsächlich in ihrer Existenz bedroht, wo bleibt Euer Aufschrei?

Wohin das führen kann, haben wir ja schon bei den Atomtests gesehen. Als die Spezies am Mururoa Atoll in den letzten Todeszuckungen lag, blieb der Protest aus. Tatsächlich konnte seit 1998 kein einziger Atomtest mehr von den Kameras internationaler Fernsehteams eingefangen werden, lediglich ein engagierter Nordkoreaner sorgte für ein kurzes Aufblitzen. Wollen wir, dass es den Rauchern ebenso ergeht? Denn, auch wenn sie nerven, sie würden uns ja doch abgehen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 25.11.2006)

Traumberuf Pornoautor

Pornos sind von ihrer Intention her tendenziell ja nicht darauf ausgelegt, im Rennen um den Literaturnobelpreis ganz vorne mitzureiten. Und doch entfalten die Dialoge, die den eigentlichen Höhepunkt in eine Rahmenhandlung einbetten, einen gewissen Charme – irgendwo zwischen Banalität, Langeweile und Hilflosigkeit. „Guten Tag, ich bringe die Pizza“, sagt etwa der Pizzabote zur Dame, die im Spitzennachthemd die Tür öffnet. Die unschuldige Frage „Und wo ist die Salami?“ leitet dann zum Hauptgang über. Dass sich Dialogschreiber bei manchem Film nicht einmal mehr dieses Quentchen versuchten Wortwitzes antun, zeigt folgendes Beispiel: „Warum liegt denn hier Stroh?“ fragt der Mann, der den Stromkasten inspizieren soll. „Warum hast du ’ne Maske auf?“, ist die Antwort der Dame im Negligé. Die absolut sehenswerte Fortsetzung findet sich unter: http://users.skynet.be/osmo/uNF/blas.swf.

Dass man sich mit dem Thema auch auf freiwillig amüsante Weise auseinander setzen kann, zeigt unter anderem Michael Glawoggers Film „Nacktschnecken“ (2004), in dem sich ehemalige Studenten aus Geldmangel selbst an einem Pornofilm versuchen. Sehenswert ist auch „Boogie Nights“ (1997), in dem die Pornoszene der 70er und 80er porträtiert wird. Nun, für einen Tag würde ich ja auch gerne einmal in den Traumberuf eines Pornoautors hineinschnuppern. Wer weiß, vielleicht könnte ich dann ja sogar folgenden Dialog unterbringen: „Rauchst du eigentlich nach dem Sex?“ „Weiß nicht, hab‘ noch nie nachgeschaut.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.11.2006)

Menschen sind zum Hassen da

Ich bin kein Rassist, ganz und gar nicht. Ich finde Menschen generell schrecklich. Es bereitet mir Qualen, einen Brief oder eine E-Mail mit „Sehr geehrter . . .“ oder gar „Lieber . . .“ zu beginnen. Und auf der völlig überfüllten Mariahilfer Straße habe ich mir nicht erst einmal gewünscht, die Erde möge sich auftun. Laut gängiger Definition darf ich mich deswegen als Misanthrop fühlen – zumindest zeitweise. Geht es Ihnen auch manchmal so? Steckt in Ihnen nicht wenigstens ein temporärer Misanthrop? Keine Angst, Sie sind damit in guter Gesellschaft. Schon Mark Twain, Arthur Schopenhauer oder Thomas Bernhard wurde Misanthropie nachgesagt. Und auch unter zeitgenössischen Autoren lassen sich einige finden.

„Macht und Rebel“ von Matias Faldbakken etwa entfaltet gleich auf den ersten Seiten eine derart große Ladung Menschenhass, für die der Normalbürger vermutlich wochenlang sparen müsste. Der Subtitel „Skandinavische Misanthropie II“ spricht Bände – schon das erste Buch des Norwegers „The Cocka Hola Company“ war als „Menschenverachtungsbibel“ gefeiert worden. Dagegen wirkt Michel Houellebecq fast schon handzahm, sein Werk „Plattform“ sei dem Amateur-Menschenhasser dennoch als Lektüre ans Herz gelegt. Falls Sie auf Urlaub fahren, sollten Sie das „Reisebuch für den Menschenfeind. Die Freuden der Misanthropie“ von Friedrich-Karl Praetorius einpacken.

Und zum Abschluss noch der klassische Satz, an dem Sie einen Misanthropen erkennen: „Wissen Sie schon, wer gestorben ist?“ – „Mir ist jeder recht.“
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.11.2006)