Leute, die sagen, was sie gerade machen

Self Guidance Books sind Bücher, in denen – vornehmlich prominente – Menschen anhand ihres eigenen Lebens erklären, wie man besser leben kann. Und die damit letztlich selbst besser leben, indem sie Fernsehauftritte, Vortragshonorare und Tantiemen bekommen. In vielen dieser Bücher lautet eine Kernaussage, man soll immer schön sagen, was man denkt. Nur nicht aus falscher Höflichkeit Dinge unausgesprochen lassen, die sich dann aufstauen und womöglich zu Magengeschwüren und irgendwann zur unkontrollierten Entladung führen könnten. Allein, die Aufforderung „Sag, was du denkst“ wird offenbar vielfach falsch verstanden. Und so hören wir vor allem von jenen, die die nie getätigte Aufforderung „Sag, was du machst“ beherzigen.

„Ich geh dann schnell einkaufen“ ist ein häufig gebrauchtes Beispiel im Büroalltag – und immerhin Trägermedium für eine sinnvolle Frage an die Kollegen. Ob man nämlich jemandem etwas mitbringen soll. Allzu oft haben derartige Aussagen aber maximal den Wert einer Eigenregieanweisung. Ein gedankenverlorenes „Ich geh aufs Klo“ zum Beispiel erfüllt oft den Tatbestand des Selbstgesprächs. Fraglich, was bedenklicher ist – wenn man den Satz allein in der Wohnung vor sich hinmurmelt oder er beim Aufstehen aus einer Runde von Menschen fällt. Das Leben ist nun einmal keine Kochshow, bei der man jeden Arbeitsschritt für das Publikum erklären muss. Häufig hat eine solche Aussage aber ohnehin einen imperativen Hintergrund. „Also ich gehe jetzt in diese Richtung“ kann etwa der implizite Befehl an eine Gruppe sein, einen bestimmten Weg einzuschlagen.

Umgekehrt ist es übrigens gar nicht so leicht. Dann nämlich, wenn man gefragt wird. „Was machst du gerade?“, gestellt am Telefon, stellt den Befragten vor ein Dilemma – denn die korrekte Antwort „mit dir telefonieren“ wird dann auch wieder als uninformativ oder frech aufgefasst. Und dank Mobiltelefon könnte es ja sein, dass man tatsächlich gerade am Klo ist. Wird offenbar Zeit, ein Self Guidance Book darüber zu schreiben.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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Leute, die vor einer Frage immer „Frage“ sagen

Frage, kennen Sie das, wenn jemand eine Frage stellt – und seine Frage mit dem Wort „Frage“ einleitet? Fraglich, wie notwendig das ist. Schließlich ist die Frage durch Satzstellung oder ein Ansteigen der Stimme am Ende meist ohnehin eindeutig erkennbar. Und eine Antwort leitet man ja auch nicht mit „Antwort“ ein, oder? Besonders unsinnig ist das „Frage“ dann, wenn eine ganze Runde nur darauf aufbaut, dass jemand Fragen stellt – wenn etwa bei einer Veranstaltung jemand auf dem Podium Fragen beantwortet. Und jeder Frage ein „Frage“ vorangestellt wird. Ergänzt wird das „Frage“ übrigens gern durch ein vorangestelltes „Kurz“. Wobei sich die Länge der Frage bei „kurze Frage“ im Gegensatz zum herkömmlichen „Frage“ meist nicht signifikant unterscheidet. In Wahrheit handelt es sich also nur um die fragende Variante des hinterhältigen „Nur ganz kurz“, das bösartigen Zeitraub einfach nur hinter einem Zeitersparnis suggerierenden Adjektiv zu verbergen trachtet.

„Wie ist das jetzt, wenn…“ ist eine Variante, die ebenfalls gern zur Einleitung einer Frage verwendet wird. Ein wenig imperativistischer wirkt es, wenn ein „Sag“ am Anfang mit dem Fragezeichen am Ende eine Klammer bildet. Und auch ein (meist lang gezogenes) „Du“ leistet immer wieder Dienst als Frageneinleitungskennzeichen. Braucht jemand besonders lang, um seine Gedanken so zu ordnen, dass sie in einen Fragesatz münden, ist auch eine Kombination möglich. „Du, sag, Frage, wie ist das jetzt, wenn…“ ist allerdings schon recht weit über der Grenze des Zumutbaren.

Auf der Antwortseite gibt es übrigens ebenfalls klassische Formen, die die Zeit überbrücken sollen, bis der Gedanke im Sprachzentrum zusammengesetzt ist. Vom „Äh“ oder „Nun“ bis zum highly sophisticated „Ich bin sehr dankbar für diese Frage“. Oder man demütigt ganz nebenbei den „Frage“-Sager noch ein bisschen. Das geht zum Beispiel mit Sagern à la „Ich glaube, man muss die Frage anders stellen“. Ob er sich dadurch das „Frage“ abgewöhnt? Nun, das ist die Frage.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.04.2014)

Leute, die beim Bäcker einen Kaffee bestellen

Kaffee gibt es in zwei Geschwindigkeiten. Der langsame, vorzugsweise im Kaffeehaus, kombiniert mit einer Zeitung, sitzt gemütlich auf der einen Seite. Auf der anderen eilt der Coffee to go durch Einkaufsstraßen, Bahnhöfe und U-Bahn-Garnituren. Dieses Phänomen an sich ist bekannt und wäre nicht weiter erwähnenswert. Allein, bei Bäckereiketten in U-Bahn-Stationen wird klar, dass selbst schneller Kaffee langsamer ist als, sagen wir, Semmel. Ist ein solcher Backwarenladen in einem Geschoß zwischen zwei Rolltreppen angesiedelt, liegt ja nahe, dass hier maximal ein Boxenstopp von einigen Sekunden angedacht ist, um vollgetankt weiterziehen zu können. Was auch gar nicht so schlecht funktioniert. Bestellen, zahlen, gehen. So einfach.

Wären da nicht jene Zeitgenossen, die sich einbilden, genau hier einen Espresso ordern zu müssen. Sie schaffen es, dass das logistisch ausgefeilte und eingespielte Verhalten der Verkäufer – Bestellung entgegennehmen, Weckerl einpacken, kassieren – jäh durchbrochen wird. Umständlich muss die Verkaufskraft das Espressopulver in den Siebträger füllen, ihn in die Maschine einspannen, auf die Flüssigkeit warten, ehe der formschöne Papierbecher dem Kunden überantwortet wird. Während also die eine Schlange vor dem Bäcker flott und engagiert mit gefüllten Weckerln versorgt wird, steht man mit Sicherheit gerade in der anderen, wo nebenbei eben ein bisschen Kaffee gekocht wird. Immerhin, in langen Momenten wie diesen lässt sich darüber sinnieren, dass Espresso mitnichten etwas mit „express“ im Sinne von schnell zu tun hat. Vielmehr leitet es sich vom italienischen Verb „esprimere“ ab, das bedeutet, dass es sich um ein ausschließlich für den Gast zubereitetes Gericht handelt – was aus der Zeit herrührt, als Espresso tatsächlich nur in Bars und Kaffeehäusern erhältlich war.

Aus Gründen der Fairness gegenüber Nichtkaffeekäufern böte sich also an, eine eigene Expresskassa nur für Gebäck und kalte Getränke aufzumachen. Und daneben eine langsamere Spur: die Espressokassa. What else?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.04.2014)