Liebesgrüße aus Kairo

Beim Lernen von Fremdsprachen dauert es in der Regel nicht lange, bis der Lehrer zum ersten Mal die Frage nach den wichtigsten Schimpfwörtern gestellt bekommt. Der zweite Fragenblock dreht sich unter aufgeregtem Gekicher der Schüler meist um besonders unaussprechliche Gustostücke (der Verzicht auf das Diminutiv sei mir gestattet) à la „Oachkatzlschwoaf“, „Strc prst skrz krk“ (tschechisch: Steck den Finger durch den Hals“) usw. Und schließlich muss der mittlerweile völlig entnervte Pädagoge auch noch den wichtigsten aller Sätze in Text und Ton bereitstellen – „Ich liebe dich“.

„Was müssen die Holländer für einen Spaß haben“, meinte schon der deutsche Kabarettist Bodo Wartke, der in seinem „Liebeslied“ genau diesen Satz in unzähligen Sprachen und Dialekten verarbeitet hat – und tatsächlich erregt „Ik hou van jou“ beim gelernten Österreicher wohl weniger das Herz als vielmehr die Lachmuskeln. So wie auch „Minä rakastan sinua“ (finnisch), „Ben seni seviyorum“ (türkisch) oder „Wo ai ni“ (Mandarin) hierzulande wohl nur bedingt zur Romantisierung einer Situation beitragen.

Besonders perfid ist es, diesen Satz schriftlich abzufassen – in Zeichen, die der Laie nicht einfach durch den Google-Übersetzer rattern lassen kann. Das arabische „Ana behibek“ etwa, in eleganten Schnörkeln auf eine Postkarte gemalt, bedeutet für die Empfängerin zunächst einmal eine harte Nuss. Die ohne einen sprachlichen Nussknacker aus dem arabischen Raum kaum aus ihrer Schale zu holen sein wird. Umso schöner muss dann die Situation sein, wenn ein ägyptischer Zeitungskolporteur irgendwo am Wiener Gürtel kurzfristig zum Übersetzungsbüro umfunktioniert wird. Frei nach dem Motto: Ein guter Tag beginnt mit der besseren Liebeserklärung.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.10.2009)

Zum Abmalen: "Ich liebe dich" auf Arabisch.

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Die intellektuelle Niederkunft

Wer hätte gedacht, dass es gerade hier passieren würde? Gerade in der Hurriya-Bar in Kairo, in der Dutzende Ägypter (nur Männer natürlich) bei einem Stella-Bier sitzen, die Luft vom Rauch unzähliger Filterzigaretten zu Indoorsmog entreinigt, da ging mir der Knopf auf. Es war gerade ein paar Tage her, seit der Arabischkurs begonnen hatte, beim Anblick der Schriftzeichen rauchte mein Kopf ähnlich stark wie die blauen L&M meines Tischnachbarn. Da fiel mein Blick auf eine Getränkekarte an der Wand. Und siehe da, die Zeichen formierten sich vor mir: Kef – Alev – Kef – Alev – Wouw (Letzteres wird tatsächlich wie ein Ausruf der Bewunderung ausgesprochen) – ich hatte gerade ohne Hilfe mein erstes Wort in Arabisch gelesen. Und dann noch so ein schönes: Kakao!

Nun muss man wissen, dass die Gäste der grindig-liebenswerten Hurriya-Bar nie im Leben ihr Stella gegen einen Kakao tauschen würden, doch allein die Tatsache, dass er hier auf einer Karte steht, erfüllt mein Herz mit Freude. Ein kleiner Gruß aus der Heimat, vom täglichen Tiroler Trinkkakao bei meinem Lieblingsbäcker.

Nie würde ich auf die Idee kommen, wie viele Exil österreicher nach Wiener Hochquellwasser oder Schwarzbrot zu lechzen. Aber Kakao, auch wenn es ihn ohnehin fast überall zu kaufen gibt, der weckt dann doch ein bisschen Heimatgefühle. Umso schöner, wenn dieses Göttergetränk die intellektuelle Niederkunft meiner rudimentären Arabischkenntnisse markiert – und sei es in einem charmant-schäbigen Bierlokal. Im Grunde hätte diese sprachliche Initialzündung nicht besser sein können. Es sei denn, natürlich . . . also gut, sobald ich herausgefunden habe, wie man Almdudler auf Arabisch schreibt, melde ich mich wieder.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.09.2009)