Zieht Euch warm an

„Skandal!“ wurde jüngst lautstark skandiert, weil der Bundeskanzler auf einem Plakat mit einem rot-weiß-roten Schal in den zum Jubeln ausgestreckten Händen zu sehen war. Die positive Stimmung der Fußball-WM wollte die Fast Food-Kette, die hinter dem Motiv steckt, damit einfangen. Diese Idee hatten allerdings auch schon andere, denn kurz zuvor streckte auch Polit-Rauhbein Peter Westenthaler in Anzeigen und Plakaten öffentlichkeitswirksam einen Schal gen Himmel. Ein genialer Schachzug also? Na ja. Man fragt sich schon, was das für Menschen sein müssen, die bei sommerlicher Hitze mit Winterkleidung in den Händen herumstehen. Aber wer weiß, vielleicht reiht sich ja noch jemand in den Reigen des saisonalen Kleidungswahnsinns ein.

Man stelle sich etwa Alfred Gusenbauer vor, der im Arbeiterstrandbad schwitzend unter einer Wollmütze gegen die soziale Kälte der Regierung demonstriert. Nun, möglicherweise wäre da ja eher ein Besuch von „Kunde weg, was nun?“ in der Galerie Lehner (6, Getreidemarkt 1; 18.30) angebracht, wo erfolgreiche Kundenrückgewinnung im Mittelpunkt steht. Andererseits, beim derzeit eher frostigen Verhältnis zu den Gewerkschaften könnten Fäustlinge durchaus angebracht sein – vielleicht heißt es dann ja bald wieder Freundschaft. Mit der Freundschaft vorbei ist es allerdings für unseren Lieblingsbären Bruno. Denn nach der Freigabe zum Abschuss steht unserem pelzigen Freund eine ziemlich heiße Phase bevor. Für ihn gilt nun ganz besonders: Zieh Dich warm an!
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.06.2006)

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Erklärt das Erklären

Warum kann mir eigentlich niemand erklären, wie Tarock funktioniert? Kaum spricht man einen Eingeweihten darauf an, wird man sofort mit geheimbündlerisch anmutenden Begriffen wie Gstieß oder Pagat bombardiert. Details aus aberwitzigen Spielsituationen werden geschildert, dazu gleich Ausnahmen und Spezialfälle mitgeliefert. Am Ende freut man sich nur noch, dem wirren Ping-Pong-Monolog ohne größere Blessuren zu entkommen. Wie das Spiel tatsächlich funktioniert, weiß der Zuhörer nachher allerdings nicht. Was, bitteschön, wäre dabei, einfach mit ein paar Grundlagen zu beginnen? So in etwa, welche Karten es gibt, ob mit- oder gegeneinander gespielt wird und – nicht unwesentlich – was denn eigentlich das Ziel des Spiels ist.

Was wir dringend brauchen, ist eine Schule des Erklärens. Jeder Mensch sollte es beherrschen, das Relevante zu erkennen, zu benennen und kurz und prägnant die gewünschte Information weiterzugeben. Schauen Sie mal, wie es die Profis machen. Beobachten Sie Peter Schwarzbauer vom Institut für Marketing & Innovation der Boku in der Hauptbücherei (7, Urban-Loritz-Platz 2a; 17 Uhr) beim Vortrag Was haben Autos mit Holz zu tun? Oder hängen sie sich an die Lippen der Vortragenden Esther Ramharter bei Wozu Gott und die Philosophen einander brauchen im Otto Mauer-Zentrum (9, Währinger Straße 2-4; 19.30 Uhr). Ach so, Sie glauben, dass Sie gar keine Nachhilfe nötig haben? Na gut, dann erklären Sie mir bitte mal die Abseits-Regel – in einem Satz.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.06.2006)

Kampf dem Diminutiv

Ich kann es nicht mehr hören. Warum muss man in Wien immer auf ein Weinderl gehen? Wieso wird ständig vom Semmerl gesprochen? Und weshalb verlangt es äußerlich ganz normal wirkende Menschen plötzlich nach einem Papperl? In einigen Fällen mag es ja gerechtfertigt sein, zum Diminutiv, der Verniedlichungsform, zu greifen – etwa dann, wenn der große Bruder sich längst aus dem aktiven Sprachschatz verabschiedet hat. (Oder wissen Sie etwa, was eine Flinse sein soll? Und auch beim Stamperl bestehe ich nicht auf den Stamper.) In den meisten Fällen jedoch gibt man sich mit der übermäßigen Verwendung der Verkleinerungsform den Anschein der Infantili- oder Senilität. Ganz ehrlich, wie ernst kann man jemanden nehmen, der mit Freunderl auf ein, zwei Vierterl und ein Schweinsbraterl geht? Würden Sie diesem Mann ein Gebrauchtwagerl abkaufen?

Tun Sie mir einen Gefallen, versuchen Sie bei Ihrer Abendplanung Veranstaltungen mit der unseligen Endung -erl zu meiden. Zum Glück kommen die meisten Organisatoren gar nicht erst auf die Idee, im Schlosstheater Schönbrunn (19 Uhr) Das Zauberflöterl aufzuführen. Auch die Lange Nacht der Kircherl (www.langenachtderkirchen.at) bleibt uns gottlob erspart. Aber Vorsicht, es gibt Veranstaltungen, die nur auf den ersten Blick harmlos erscheinen: Bei Ein Gruss aus Wien – Wienerlied & Schlager im Waldmüllerzentrum (10, Haseng. 38) muss wohl mit erhöhter vom Weinderl geschwängerten Diminutiv-Glückseligkeit gerechnet werden. Da schaudert’s mich ein bisserl.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.06.2006)