Ein Badezimmer mit Pommes frites

Das eigene Weltbild, wie es so friedlich an der Wand hängt, gemächlich hat es Staub angesetzt und sich im Gehirn längst als Klassiker manifestiert – dieses Weltbild lässt sich auch immer wieder ein wenig entstauben und mit neuen Facetten bereichern, mit dem Erlernen einer Fremdsprache zum Beispiel. Man glaubt gar nicht, wie viele Buchstaben es gibt, die es gar nicht gibt. Im Arabischen etwa das „ain“, ein im Rachen gebildeter Reibelaut, der  ungefähr wie das Schreien eines Babys aus dem  Kinderwagen klingt. Wenn  wir beim Arabischen bleiben, begegnen wir auch manchem Buchstaben, den es gleich mehrfach gibt. Allein für das S, wie wir es im Deutschen verwenden, gibt es drei  verschiedene Zeichen. Das „za“, ausgesprochen wie das stimmhafte S in „Rose“, das „siin“, stimmlos ausgesprochen wie in „essen“, und das „sad“, die betont und gepresst ausgesprochene  Variante des „siin“ – also etwa jener Laut, wie er in  österreichischer Mundart bei „Sau“ zu hören ist.

Zum Problem kann dieses Phänomen werden, wenn der gelernte Europäer diese Unterschiede nicht auch in gesprochene Rede umsetzen kann. Gibt man dem Taxifahrer als Ziel „Haram“ an, ausgesprochen wie im Deutschen, wird man bei den Pyramiden landen. Haucht man das „h“ allerdings ein wenig zu stark, wird derselbe Taxifahrer sich fragen, was genau an der Zielangabe „verboten“ sein soll. Und wohl ewig wird sich der Kellner in jenem Restaurant in Kairo die Frage stellen, was in mich gefahren war, als ich gebratene „hamam“ bestellte – das bedeutet an sich „Taube“. Wird allerdings das M zu stark betont, und das tat ich wohl, wandelt sich die Bedeutung schlagartig. Und so muss meine Bestellung in etwa gelautet haben: „Ein Badezimmer mit Pommes frites, bitte!“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.10.2009)

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Der schlechteste Witz der Welt

Witze sind gefährlich. Einmal angefangen, kann eine ganze – bis dahin spannende – Gesprächsrunde plötzlich zum Bruhaha ausarten, das spätestens nach dem dritten Scherz peinlich wird – und nur der oder die Erzähler nicht die pikierten Blicke der anderen Gesprächspartner bemerkt.

Und doch erfüllt der Witz eine immens wichtige Aufgabe, etwa um eine ins Stocken geratene Konversation wieder anzukurbeln. Gut, das geht auch mit völlig ohne jeden Zusammenhang hervorgekramten Fragen à la „Was hältst du eigentlich von Kaviar?“, aber versuchen Sie das mal an einem Stammtisch mit rot-weiß karierten Tischtüchern!

Besonders geeignet als Kommunikationsturbo sind Scherze aus der Kategorie „kurz und schmerzvoll“. Beispiel: „Was ist weiß und stört beim Essen? Lawine!“ Ja, es sind genau diese „Was ist“-Scherzchen, die kurz genug sind, um nicht gleich als Auftakt zum Gaudimax zu fungieren, das kommunikative Eis jedoch innerhalb kürzester Zeit brechen. Ein gangbarer Weg, wenn die Zeit nicht reicht, um das Eis mit geistreichen Dialogen langsam zu schmelzen, ist das allemal. Auch im angloamerikanischen Sprachraum sind derartige Kalauer weit verbreitet: „Why don’t sharks eat clowns? Because they taste funny!“

Zugegeben, für Sobig (So bad, it’s good) reicht das noch nicht, aber bei kommunikativen Zwischenmahlzeiten muss man eben Abstriche machen wie der hungrige Gourmetkritiker im Fast-Food-Restaurant.

Apropos: Wissen Sie, warum Giraffen so einen langen Hals haben? Weil der Kopf so weit oben ist! Au, der tut weh. Und ich sehe Sie schon nasenrümpfend am Frühstückstisch sitzen, bereit, unsere Kommunikation durch Umblättern zu beenden. Gut, also andere Taktik – was halten Sie eigentlich von Erbsen?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.10.2009)

Liebesgrüße aus Kairo

Beim Lernen von Fremdsprachen dauert es in der Regel nicht lange, bis der Lehrer zum ersten Mal die Frage nach den wichtigsten Schimpfwörtern gestellt bekommt. Der zweite Fragenblock dreht sich unter aufgeregtem Gekicher der Schüler meist um besonders unaussprechliche Gustostücke (der Verzicht auf das Diminutiv sei mir gestattet) à la „Oachkatzlschwoaf“, „Strc prst skrz krk“ (tschechisch: Steck den Finger durch den Hals“) usw. Und schließlich muss der mittlerweile völlig entnervte Pädagoge auch noch den wichtigsten aller Sätze in Text und Ton bereitstellen – „Ich liebe dich“.

„Was müssen die Holländer für einen Spaß haben“, meinte schon der deutsche Kabarettist Bodo Wartke, der in seinem „Liebeslied“ genau diesen Satz in unzähligen Sprachen und Dialekten verarbeitet hat – und tatsächlich erregt „Ik hou van jou“ beim gelernten Österreicher wohl weniger das Herz als vielmehr die Lachmuskeln. So wie auch „Minä rakastan sinua“ (finnisch), „Ben seni seviyorum“ (türkisch) oder „Wo ai ni“ (Mandarin) hierzulande wohl nur bedingt zur Romantisierung einer Situation beitragen.

Besonders perfid ist es, diesen Satz schriftlich abzufassen – in Zeichen, die der Laie nicht einfach durch den Google-Übersetzer rattern lassen kann. Das arabische „Ana behibek“ etwa, in eleganten Schnörkeln auf eine Postkarte gemalt, bedeutet für die Empfängerin zunächst einmal eine harte Nuss. Die ohne einen sprachlichen Nussknacker aus dem arabischen Raum kaum aus ihrer Schale zu holen sein wird. Umso schöner muss dann die Situation sein, wenn ein ägyptischer Zeitungskolporteur irgendwo am Wiener Gürtel kurzfristig zum Übersetzungsbüro umfunktioniert wird. Frei nach dem Motto: Ein guter Tag beginnt mit der besseren Liebeserklärung.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.10.2009)

Zum Abmalen: "Ich liebe dich" auf Arabisch.