Falscher Alarm in der Hosentasche

Die Bitterkeit schlechter Qualität hält noch lange an, wenn die Süße des Preises längst verflogen ist. Es ist jene Weisheit, die das Verhältnis zu meinem Mobiltelefon trefflich beschreibt. Die Marke soll hier keine Rolle spielen, schließlich will man ja die finnische Mobilfunkindustrie nicht diskreditieren. Aber so viel soll verraten werden: Eine Liebesbeziehung zwischen dem Handy und mir ist es letztlich leider doch nicht geworden. Die belustigten Blicke der iPhone-Jünger ließen sich ja noch ertragen, schließlich ist es ja auch ein gutes Gefühl, nicht bei jedem Trend an vorderster Front mitzuhecheln. Doch auch bei einem günstigeren Smartphone sollte man sich doch zumindest erwarten dürfen, dass es nicht bei jeder zweiten Website abstürzt, dass sich ein fast fertig geschriebenes SMS nicht plötzlich von selbst löscht, und dass man beim Eintragen eines Termins in den Kalender nicht für einen Volltrottel gehalten wird – will man etwa am Vormittag einen Nachmittagstermin für denselben Tag eintragen, ist als Erinnerungszeit standardmäßig acht Uhr morgens eingetragen. „Erinnerungszeitpunkt bereits vorbei“, klugscheißt es dann aus dem elektronischen Terminkalender.

Für manche Fehler kann man aber auch das schlechteste Mobiltelefon nicht verantwortlich machen. Für Phantomläuten zum Beispiel. Ein Phänomen, das dann auftritt, wenn in der U-Bahn ein Standardklingelton ertönt – und mehrere Menschen reflexartig nach ihrem Handy greifen. Nun sind Klingeltöne an sich schon ein Ärgernis, das man mithilfe des Vibracalls elegant umschiffen kann. Nur darf man nicht glauben, dass sich das Problem des Phantomläutens damit löst. Denn allzu oft meint man dann, in der Hosentasche das Vibrieren des Telefons zu verspüren. Nur um dann festzustellen, dass in Wirklichkeit nichts passiert ist. Die Bitterkeit falscher Alarme in der Hose also. Dafür können die Finnen jetzt aber nichts.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.10.2011)

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Ich liebe dich (von meinem iPhone gesendet)

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es lässt sich abstellen. Einstellungen – Mail, Kontakte – Signatur. Und dann einfach löschen. Allein, es macht niemand. Und so erfreuen wir uns tagtäglich an allerlei hübschen E-Mails, unter deren eigentlichem Inhalt wir in der Signatur lesen können, dass die Nachricht von einem iPhone in den digitalen Äther geschickt wurde. Klar, wenn man schon ein solches Mobiltelefon hat, möchte man die Welt daran auch Anteil nehmen lassen. Was allerdings mitunter skurrile Blüten treibt. Oder würden Sie sich freuen, wenn auf Ihrem Display folgendes Geständnis zu lesen ist: „Ich liebe dich (von meinem iPhone gesendet)“. Das ist in etwa so charmant, als würde man nach einem Candlelight-Dinner getrennte Rechnungen verlangen, oder?

So wie es aussieht, dürfte in Apples Smartphone ein gewaltiger Wurm stecken – dass nämlich für das Gerät keine Understatement-App verfügbar ist. Dagegen scheint es an einer Applikation für Ausreden nicht zu mangeln. Die Signatur sei eine Entschuldigung für Tippfehler, die auf dem kleinen Display ja viel häufiger passieren als mit einer Computertastatur. Ja, eh. Andere wiederum meinen, sie wüssten gar nicht, wo man die Signatur abstellen kann – mit dem Herunterladen diverser Spielchen aus dem Apple-Shop haben sie dagegen keine Probleme. Wenigstens ehrlich wirken jene iPhone-Nutzer, die mit großen Augen fragen: „Wie, das kann man auch abschalten?“ Was allerdings auch ein schlechtes Licht auf die Produzenten wirft, denen man immerhin zutraut, diese Werbeeinschaltung tatsächlich jedem Nutzer aufzuzwingen. Als würde das Waschmittel auf dem Pullover seinen Werbeclaim hinterlassen, um den Vergleich mit der analogen Welt zu bemühen. Aber gut, solange Apple kein iWaschmittel herstellt . . . (auf meinem Computer geschrieben).

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.12.2010)