Mit einem Bankomaten kann man nicht einkaufen gehen

„Ich zahl mit Bankomat.“ Ja, eh. Nur, dass ein Geldautomat halt nicht in eine Geldbörse passt.

Sie müssen sich das so vorstellen: Ich bin der Taxler. Die Kolumne ist das Taxi, und Sie dürfen dann alle mitfahren. Ich bring‘ die Fuhr wohin, mehr kann ich nicht tun. Und am Ende stehen wir an der Kassa, wo irgendjemand sagt, dass er mit Bankomat zahlen möchte. Blöd nur, dass so ein ganzer Geldautomat nie im Leben in die Geldbörse passt. Und auch in der Registrierkassa ist kein Platz dafür, geschweige denn gibt es einen sinnvollen Umrechnungskurs für das Wechselgeld. Im Zweifelsfall zahlt es sich also aus, statt mit dem Automaten lieber mit der Bankomatkarte zu zahlen. Es sei denn, natürlich, dass Ihre Geldtasche so etwas wie eine TARDIS ist – eine fiktive Raum-Zeit-Maschine aus der Science-Fiction-Serie „Doctor Who“. Die zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Inneren viel größer ist, als sie von außen vermuten lässt. Im britischen Raum ist das ein geflügeltes Wort, während man es hierzulande kaum kennt. Aber wenn wir gerade dabei sind – der Name der Maschine ist ein sogenanntes Backronym, also ein Wort, dessen Buchstaben nachträglich als Anfangsbuchstaben von Wörtern interpretiert werden. Bei TARDIS war „Time And Relative Dimensions In Space“ gemeint.

Kennzeichen des Backronyms ist, dass dem Wort erst nachträglich eine Bedeutung zugewiesen wird – etwa „Errare humanum est“ für Ehe. (Höhö!) Sein Gegenstück, das Apronym, wird dagegen gezielt aus einzelnen Wörtern zu einem existierenden Wort zusammengesetzt. So wie beim Studentenaustauschprogramm Erasmus, das für „European community action scheme for the mobility of university students“ steht. Und sowohl Apronym als auch Backronym sind Sonderformen des Akronyms – Sie wissen schon, Billa steht für Billiger Laden. Was wir aus all dem lernen? Im Endeffekt eigentlich nur, dass man eigentlich nicht mit Bankomat zahlen kann. Aber das muss im Endeffekt jeder selbst wissen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.09.2016)

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Leute, die gleichzeitig reden

Wenn zwei in einer Dreiergruppe sich nicht einig sind, wer spricht, leidet vor allem der Dritte.

Wir brauchen eine Redepolizei. Das hat nichts mit Sprachpolizei zu tun, die einschreitet, wenn jemand Kindern etwas lernen will oder einen Wehmutstropfen aufspürt – die ist natürlich auch sinnvoll und notwendig, aber diesmal geht es um jemanden, der einschreitet, wenn das Reden zu L’art pour l’art verkommt. Das passiert regelmäßig, wenn Menschen nicht auf ihr Gegenüber achten, Hauptsache, sie sagen etwas. Nun ist Logorrhoe schon im Zwiegespräch anstrengend, doch besonders bitter ist eine Dreierkonstellation. Wenn nämlich zwei in der Runde gleichzeitig mit einem Satz beginnen. Nur, dass sie dann nicht, so wie Autofahrer an einer Kreuzung, sich den Vorrang ausmachen. Sondern beide unbeirrt weitersprechen – und dabei den unbeteiligten Dritten anschauen. Der ist dann in der bitteren Situation, dass er nicht zwei Menschen gleichzeitig zuhören kann. So springt er von einem zum anderen, blickt hilflos erst in die eine, dann in die andere Richtung. Doch die beiden kennen keine Gnade, wollen ihre Sätze zu Ende bringen. Verstehe sie jemand oder auch nicht. Erste Schweißtropfen bilden sich, das mit dem Multitasking wird nichts, nur wen schaltet man nun aus? Der, den man ausbremst, ist dann sicher beleidigt. Und wer weiß, vielleicht hätte er ja das Interessantere zum Gespräch beizutragen gehabt.

Kann sich in dieser Situation nicht einfach der Himmel auftun, ein geflügeltes Einhorn nach unten stechen, auf dem ein uniformierter Götterbote sitzt? Der dann den Zeigefinger auf seine Lippen legt und die eben noch sprudelnden Münder der Logorrhoetiker zu einem trockenen O formen lässt. „Kinder“, würde er mit sanfter Stimme sagen, „wenn ihr so durcheinanderquatscht, versteht doch kein Mensch etwas.“ Von einer Strafe würde er absehen, sie nur mit einem „beim nächsten Mal aber . . .“ zurücklassen. Und der eben noch arme Dritte könnte ein Lächeln aufsetzen, einen der beiden anblicken und fragen: „Was wolltest du gerade sagen?“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.09.2016)

Gute Wahl!

Es passiert selten, dass Kellner eine Bestellung mit einem verschreckten „Sind Sie sicher?“ quittieren.

Sehr gern bekommt man ein virtuelles Klopfen auf die Schulter, ein kleines Zeichen der Anerkennung. Kellner wissen das. Und so nicken sie zustimmend, zwinkern aufmunternd oder spielen mit ihrer Mimik ein anerkennendes Staunen, wenn man ihnen aus der Speisekarte vorliest. „Gute Wahl“, kommt dann gern. Natürlich ist die Wahl gut, mein Lieber, ist ja auch von mir. Nur bleibt da dieser Verdacht, dass er das bei jeder anderen Bestellung auch gesagt hätte. Zumindest passiert es selten, dass er mit großen Augen fragt: „Sind Sie sicher?“ Oder gar auf die Bestellung hin den Mund verzieht, mit den Augen rollt und ein flehentliches „Na, ned!“ stammelt. Hätte allerdings was – das verschwörerische Neigen des Körpers, die Hand an die Seite des Mundes gelegt und das Flüstern ins Ohr: „Bestellen Sie auf keinen Fall den Zwiebelrostbraten – den kann unser Koch nämlich so wirklich gar nicht.“ In diesem Fall böte sich eine Wahlwiederholung an – wobei Wiederholung impliziert, dass man es noch einmal genauso macht wie vorhin. Also sprechen wir lieber vom zweiten Versuch.

Dabei nutzen die Gäste ihre Wahloptionen ohnehin kaum mehr so, wie sie vorgesehen sind. Gibt es eigentlich noch Menschen, die einfach das bestellen, was auf der Karte steht? Ohne einen Zusatz, der meist mit den Worten „aber ohne“ eingeleitet wird. Ob man statt des Dings etwas anderes als Beilage haben kann? Oder ob das Tartar eh gut durchgebraten ist. . . In Lokalen mit elektronischen Bestellsystemen, bei denen der Kellner mit einem Stift die gewählten Speisen auf einem Display antippt, schlägt dann die Stunde des offenen Eingabefelds. Und gern wüsste man, ob dann nicht kleine Notizen mit in die Küche wandern. „Der Lästerbold auf Tisch drei hat wieder Extrawürste.“ In Momenten wie diesen blitzt dann auch manchmal hinter der freundlichen Fassade dieser Anflug von Ehrlichkeit aus der Mimik des Kellners hervor. „Von mir aus, es müssen ja eh nur Sie essen.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.09.2016)

Warum die Österreicher so gern doppelt grüßen

„Guten Tag, Grüß Gott“ als ideologische Brücke, nur was steckt hinter dem „Servus, grüß dich“?

Die Feststellung „Sie kennen das!“ am Beginn eines Textes ist schon ein ziemlich abgelutschtes Stilmittel. Das nicht besser wird, wenn man eine Frage daraus macht. Gäbe es doch so viele andere Möglichkeiten für den Autor, eine direkte Beziehung zu den Lesern herzustellen, ihnen zu signalisieren, dass es jetzt um ein Phänomen geht, das auch sie selbst sicher schon erlebt haben. In diesem Sinn wenden wir uns von dieser Redewendungsfließbandware ab und gehen endlich in medias res: Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, dass Österreicher gern zweimal grüßen? (Elegant gelöst, finden Sie nicht?) Und nein, damit ist nicht die Wiederholung eines Grußes gemeint, wie er etwa in Deutschland mit dem „moin, moin“ üblich ist. Sondern eine Aneinanderreihung verschiedener Grußformeln, etwa mit einem „Servus, grüß dich!“

Nun muss man wissen, dass die Wahl der Grußformel gelegentlich ein heikles Terrain sein kann. Weil manche Weltanschauung im Gruß nach außen getragen wird – Sie kennen das (verflixt!), wenn etwa dem „Guten Tag“ des Städters in ländlichen Regionen ein demonstrativ lautes „Grüß Gott“ entgegengeschmettert wird. (Und nein, das saloppe „Grüssie“ als weltlicher Kompromiss reicht nicht!) Vielleicht lässt sich ja dadurch das verunsicherte „Guten Tag, Grüß Gott“ erklären, mit dem man ideologisch auf der sicheren Seite bleiben kann. (Auf „Freundschaft, Grüß Gott“ stößt man hingegen selbst bei katholischen Sozialdemokraten selten.) Das „Hallo, Grüß Gott“ wiederum kann hilfreich sein, um sich bei Unbekannten nicht gleich auf ein Du oder Sie festzulegen. Nur was steckt dann hinter „Hallo, servus“, „Ciao, baba“ oder „Baba, pfiati“? Und sagt eigentlich noch irgendjemand „Küss die Hand, meine Verehrung“? Da weiß man manchmal gar nicht so recht, wie man darauf antworten soll – Sie kennen das…

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.09.2016)