Kampf den Laut-Sprechern

Es ist eine sprachliche Unsitte, die in den vergangenen Jahren Mode wurde: zusammengesetzte Worte auseinander zu reißen und mit einem Divis (Trenn- oder Bindestrich) wieder aneinander zu kitten. In manchem Fall ist das allerdings für das Verständnis notwendig. Ein Beispiel? Gut, stellen wir uns einen Kasten neben der Stereoanlage vor, aus dem Musik dringt. Klar: Lautsprecher. Umgekehrt taucht vor dem geistigen Auge die Situation auf, in der man ein Telefongespräch mit einem ruhig parlierenden Architekten führt. Und im Hintergrund erschallt die Stimme eines Kollegen wie ein teutonischer Schlachtgesang: Da hätten wir den Laut-Sprecher.

Das sind auch jene Zeitgenossen, die kaum Verständnis dafür aufbringen, dass man Musik leise und dezent machen kann. Daher bleibt zu hoffen, dass kein Vertreter dieser Spezies zum Konzert von Katie Melua ins Gasometer (3, Guglg. 12, 20 Uhr) mitgeschleppt wird. Denn der süßliche „coffee to go“-Jazz (mit viel Zucker), wie wir ihn auch bei Starbucks im Hintergrund hören, verträgt keine Nebengeräusche. Das Phänomen der Laut-Sprecher betrifft übrigens nicht nur Menschen: Beim Tischgeflüster vom Tanztheater Helix im WUK (9, Währinger Str. 59, 10 Uhr) kann auch mancher Tisch seine Schublade nicht halten.

Zuletzt ein Appell an alle Gleichgesinnten, bei allzu penetranten Laut-Sprechern einzuschreiten und sie mit strafenden Blicken oder anderen taktischen Finessen einzubremsen. Gemeinsam können wir die Welt etwas ruhiger machen. Wir, die Ohren-Schützer.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.02.2006)

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Wo sind all die Schwäne hin?

Schwäne sind in jüngster Zeit ja ziemlich in Mode gekommen. Kaum eine Nachrichtensendung, kaum ein Zeitungscover, wo nicht eines der Tierchen in voller Pracht zu sehen ist. Und nachdem wir ja immer mit der Zeit gehen wollen, machen wir uns heute auf die Suche nach den schönsten Veranstaltungen rund um den eleganten Vogel. Gut, was fällt uns spontan dazu ein? Richtig, in Richard Wagners Lohengrin gleitet der Titelheld auf einem Schwan auf die Bühne. Nur, dummerweise ist der erst wieder in zwei Wochen in der Staatsoper zu sehen. Heute auf dem Programm: Tosca. Kein Schwan.

Auch die Volksoper bietet uns kulturellen Ornithologen wenig Grund zur Freude. Zwar trällert Papageno in der Zauberflöte: „Der Vogelfänger bin ich, ja“, doch stets lustig, heißa, hoppsassa macht uns das auch nicht, trägt er in seinem Käfig doch nur kleineres Federvieh mit sich. Vielleicht hilft ein Blick auf den Rathausplatz. So manche Verrenkung der Sportler beim Wiener Eistraum könnte ja an den sterbenden Schwan erinnern. Aber auch hier gähnende Leere. Wo sind nur all die Vögel hin? Mir schwant Übles . . . (Zugegeben, das war jetzt etwas platt, sorry!)

Wie auch immer, so wie es aussieht, sind heute Veranstaltungen mit Schwan spärlich gesät. Soll so sein, gehen wir halt in den Piaristenkeller (8, Piaristengasse 45) auf einen gebratenen Kapaun mit Morcheln, wie ihn Mozart seinerzeit schon geschätzt hat. Und während der Kellner abserviert, fragen wir uns noch kurz: Kann man Schwäne eigentlich essen?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe,20.02.2006)

Zum Teufel mit der Eitelkeit

(c) Erich Kocina

Im Hallenbad von Szombathely

Eitelkeit ist bekanntlich der Wunsch, bei dem, was man tut, gesehen zu werden. Nun, theoretisch zumindest. Denn manche Situation läuft dem Bestreben, sich selbst strahlend in Szene zu setzen, eher diametral entgegen. Man denke an den Versuch, ein Dugi-Kebab vom Pasha (1, Johannesgasse 3) am Weg durch die Innenstadt würdevoll zu Ende zu verspeisen. Spätestens vor der Albertina hat sich der mehr oder wenig kunstvoll gerollte Teig aufgelöst und das „Kebab mit alles und scharf“ im günstigen Fall am Boden, im ungünstigeren auf der Hose ausgebreitet. Hoffentlich hat’s niemand gesehen. Wenig Publikum wünschen sich auch Ungarn-Urlauber, die es ins Hallenbad von Szombathely, das mit diskretem Ostblock-Charme bezaubert, verschlägt. Dank Badehaubenpflicht haben hier einige Modelle aus der „Schon in den 80ern furchtbar“-Kollektion ein stilles Überleben als Leihbadekappen gefunden. Das Lächeln, das der Reisegruppe mit Tigerstreifen auf Neongrund von den Einheimischen entgegengebracht wird, wirkt dann hoffentlich nur etwas mitleidig.

Sehen lassen darf man sich als Mann hingegen mittlerweile auf einem Konzert von Sasha (Orpheum, 20 Uhr). Bis vor einigen Jahren undenkbar, muss man sich heute auch längst nicht mehr rechtfertigen, sich davor vor dem Spiegel ein wenig in Form zu bringen, um so wie der Schmusebarde als selbstverliebter Gockel die Blicke des weiblichen Publikums auf sich zu ziehen. Sich selbst zu lieben kann immerhin der Beginn einer lebenslangen Romanze sein . . .
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.02.2006)

Bitte nicht an den Fingern schlecken

Ekel ist oft irrational. Während kein Mensch etwas daran findet, seinen laufend produzierten Speichel zu schlucken, käme wohl niemand auf die Idee, die selbe Substanz in ein Glas zu spucken und daraus zu trinken. Genauso denken nur wenige daran, freiwillig an Zeitungspapier zu lutschen. An Papier, das schon durch einige Hände gewandert und vielleicht schon am Boden gelegen ist. Und sie tun es trotzdem, ohne im Entferntesten daran etwas eklig zu finden. Sie glauben mir nicht? Nun, dann beobachten Sie einmal die Menschen, die beim U-Bahn-Fahren in die Lektüre eines kostenlos aufliegenden Blatts vertieft sind. Selbst bei sichtbar ramponierten Ausgaben wird vor dem Umblättern brav der Zeigefinger an der Zunge befeuchtet. Und, noch Fragen?

Da halte ich mich lieber an bekömmlichere Gerichte, etwa beim Welttag der Nudelsuppe im Kabarett Simpl (1, Wollzeile 36; 20 Uhr). Oder an kubanischen Rum, der beim Konzert von Yoris y los Compay im Floridita (1, Johannesg. 3; 22 Uhr) für Stimmung sorgt. Für Kinder bietet sich die Führung „Der Forscher mit der Krone“ (13, Schloss Schönbrunn; 11, 14 und 15.30 Uhr, Info: [*] 811 13-239) an. Denn im Anschluss können dort Nougatpralinen kreiert werden. Die Finger abschlecken dürfen sich übrigens all jene, die schon ihre Karten für das verehrungswürdige Konzert von Depeche Mode (16. Februar, Wiener Stadthalle) ergattert haben. Wie man hört, gibt’s aber noch Restkarten. Soviel zu den Tipps. Und bevor Sie jetzt weiterblättern, achten Sie mal ganz genau auf Ihre Finger . . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.02.2006)