Rockin‘ all over the Staubsauger

„If you think you are too old to rock’n’roll then you are“, soll Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister gesagt haben. Mag sein, doch haben Jethro Tull mit „Too old to rock’n’roll, too young to die“ schon in den Siebzigern angemerkt, dass das Leben ja nicht abrupt in dem Moment endet, in dem man beim Metallica-Konzert nicht mehr in der ersten Reihe stehen möchte. Und doch fühlt es sich komisch an, wenn einem so drastisch bewusst wird, dass man sich langsam  immer mehr einem Lebensstil annähert, gegen den man einst die nietenbehandschuhte Faust erhoben hat.

Den Moment des Kippens live miterlebt haben die Mitarbeiter des Internetversands Amazon. Jahrelang hatten sie regelmäßig Bandnamen wie „Manowar“, „Dragonforce“ oder „Iron Maiden“ auf meinen Bestelllisten bearbeitet und die entsprechenden CDs verschickt. Und auch die jüngste Bestellung werden die Mitarbeiter wohl  instinktiv an die Tonträgerabteilung weitergeleitet haben – allein, bei „Dirt Devil“ handelte es sich mitnichten um eine Hardock-Band. Sondern um einen Staubsauger. Hartplastik statt Schwermetall.

Und da steht er jetzt, den gerippten Rüssel an die Wand gelehnt, und wartet, dass die Show losgeht. Dass die Lichter erstrahlen, die Multicyclone-Turbine mit mächtigem Grollen Luft anzusaugen beginnt, dass die Turbobürste mit ihrer rotierenden Bürstenwalze über den vor Ehrfurcht erzitternden Parkettboden rattert. Born to be wild, und das ohne Motorradführerschein. Während sich die Stimmung immer mehr aufheizt, die Staubbehälter im Stakkato knirschen und ich den Teleskoparm des Saugers wie eine Luftgitarre triumphierend in die Höhe reiße – wird wieder wütendes Klopfen an den Wänden ertönen. Sorry, Nachbarn – aber Rock’n’Roll will never die!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.03.2010)

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Wo Männer noch Frauen sein dürfen

Vor einigen Tagen durften hier die Urväter des Heavy Metal Manowar stolz ihre pralle Männlichkeit spielen lassen. Nun gebietet die journalistische Ausgewogenheit, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen. Die ist nämlich erstens um keinen Deut schlechter und zweitens auch noch im Trend: In jüngster Zeit schießen bunte, lebensbejahende und unglaublich melodische Bands nur so aus dem Boden, die noch etwas eint – sie sind schwul.

Nun ist sexuelle Ausrichtung ja absolut kein Kriterium, um über die Qualität künstlerischer Darbietungen urteilen zu können. Doch gerade die positive Energie aus dieser Richtung sollte einmal lobend vermerkt werden. Immerhin haben die Scissor Sisters mit „I don’t feel like dancing“ eine Hymne geschaffen, zu der auch Heteros auf der Tanzfläche kess mit dem Hintern wackeln. Nicht umsonst treten die Glamrocker The Ark mit der Gute-Laune-Attacke „The worrying kind“ für Schweden beim Song Contest an. Gute Laune versprüht auch Austrofred heute und morgen im Chelsea (21.30) – zumindest sein Vorbild Freddie Mercury war eine schwule Gallionsfigur.

Noch nicht ganz einig ist man sich beim Newcomer des Jahres – Mika. In Schwulenmagazinen wird noch spekuliert, ob der britische Sänger nun straight oder gay ist. Musikalisch passen sein Debutalbum und vor allem die Single „Grace Kelly“ aber perfekt ins Bild: Großartige Melodien und bunter Pop voller Zitate, freudenspendend wie Sonnenlicht. Hören Sie sich das an – ob Sie nun schwul sind oder nicht.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.03.2007)

Wo ein Mann noch ein Mann ist

Manche Dinge können auch echte Männer mittlerweile ohne Probleme zugeben. Dass man etwa die erste Staffel von „Greys Anatomy“ auf DVD gekauft hat und ganze Abende auf der Couch verbringt, um dem Sozialleben von Meredith, McDreamy & Co beizuwohnen. Ganz genau, noch vor wenigen Jahren galt in bierseligen Männerrunden als Paria, wer einer Krankenhausserie beiwohnte. Mittlerweile ist es längst salonfähig – und in diesem Fall sogar äußerst unterhaltsam, so ganz nebenbei erwähnt.

Dennoch, ab und zu braucht der Mann ein Spielfeld, auf dem er so richtig Mann sein darf. Ohne Schokolade und heißen Kakao vor dem Fernseher, ohne Tränen, wenn den jungen Ärzten gerade wieder ein Patient weg gestorben ist. Nein, ein Feld, wo die männlichen Urinstinkte ausgelebt werden dürfen. Und nach Jahren des Wartens ist es nun endlich wieder so weit: Manowar haben ein neues Album herausgebracht. Auf „Gods of War“ liefern die Urväter des „True Metal“ den Soundtrack der zu Musik gewordenen Männlichkeit. Songtitel wie „Blood Brothers“ oder „Hymn of the Immortal Warriors“ sprechen Bände.

Voller Begeisterung über das neue Werk ruft man dann den alten Freund an, einst treuer Begleiter auf jedem Konzert, ob er nicht vorbeikommen will, um dem Opus zu huldigen. Um mit Tiefkühlpizza, Bier und Zigaretten ein bisschen infantile Heavy Metal-Nostalgie zu zelebrieren – Glory Majesty Unity, Sie wissen schon. Antwort: „Tut mir leid, ich muss noch bügeln.“ Ironing, so so. Na ja, auch eine Art von Heavy Metal.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.02.2007)

Ich lass dir den Kochtopf. . .

Frauenfeindlichkeit scheint in einigen Musikstilen ja fast systemimmanent zu sein. Man denke an Gangsta Rap, wo kaum geschürzte Damen zwischen Autos herumtollen, während ein Rapper sein testosterongetränktes Frauenbild in die Welt hinausposaunt. Oder wir erinnern uns an „Pleasure Slave“ von Manowar, die bei ihren Konzerten gerne Damen aus dem Publikum auf die Bühne holen, um ihnen ihre Wertschätzung zu erweisen – nachdem sie vor der grölenden Meute ihre Brüste entblößt haben. Aber, liebe Sittenwächter, es gibt auch auf den ersten Blick weniger verdächtige Künstler, die bei so mancher Frau die Grausbirnen wachsen lassen – wenn auch die Ausbeutung etwas anders aussieht.

Denken wir zum Beispiel an Peter Alexander: „Ich lass dir den Kochtopf, lass du mir mein Bier“ ist ein Paradebeispiel für ein Frauenbild, das heute maximal zum Schmunzeln verleitet. Aber zugegeben, das mag in den Siebziger Jahren noch opportun gewesen sein. Oder wir nehmen uns einmal Horst Chmela zur Brust. „Mama bring a Bier, sonst kriegst die gelbe Kartn“ heißt eines seiner Lieder, bei dem die Schenkel nur so geklopft werden. Über die Texte der „Hinichen“, die heute im Planet Music (20, Adalbert Stifter Str. 73; 20 Uhr) auftreten, wollen wir erst gar keine Worte verlieren. Da bietet sich eher ein Besuch im Institut für Wissenschaft und Kunst (9, Bergg. 17; 18.30 Uhr) an, wo es heute um „Geschlechterritualisierung in Spielfilmen mit Wissenschaftsthemen“ geht. Obwohl, so sexy klingt das dann auch wieder nicht. . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.12.2006)