Der Tag, an dem der heilige Nikolaus starb

Da lag er also. Auf dem Rücken, mit einem Polster unter dem Kopf. Die charakteristische Bischofsmütze hatte er auf, die weißen Ärmel ragten aus dem purpurroten Gewand. Die Finger hatte er ineinander verschränkt auf dem Bauch liegen. Die Augen waren fest verschlossen, der Mund dagegen leicht geöffnet. Auch die große Nase, die gen Himmel ragte, passte ins Bild. Dass der weiße Rauschebart fehlte, das fiel mir in dieser Situation nicht auf. Aber diese Unaufmerksamkeit sei mir verziehen, immerhin war ich noch nicht einmal ganze vier Jahre alt, als sich die schreckliche Situation ereignete.

Aber fangen wir von vorn an. Mein Großvater arbeitete damals noch als Arzt. Und das Wartezimmer, in dem sich tagsüber die Patienten gedulden mussten, war abends leer gefegt. Nur ein paar Illustrierte lagen neben den Wartebänken. Der perfekte Ort für einen kleinen Buben, dem die Gespräche der Großeltern zu langweilig waren. Und der sich lieber durch die „Bunte“, die „Neue Post“ oder die „Freizeit Revue“ blätterte. Und dann das – auf dem Titelblatt einer dieser Illustrierten prangte das Bild des toten Mannes mit dem roten Mantel und der Mitra. Ein Schock.

Wer sollte nun die roten Papiersäckchen bringen, gefüllt mit Schokolade, Mandarinen und Aschantinüssen? Und wie kann dieser Mann überhaupt sterben? Schreiend lief ich ins Wohnzimmer: „Der Nikolaus ist tot! Der Nikolaus ist tot!“

Als am Morgen des 6.Dezember dann doch wieder die roten Säckchen neben dem Bett standen, wusste ich längst Bescheid. Meine Eltern hatten mir damals lächelnd alles erklärt. Der Tote mit der Bischofsmütze war in Wirklichkeit Albino Luciani vulgo Papst Johannes Paul I., der im September 1978 gestorben war. Als „Papst des Lächelns“ war der Kurzzeit-Pontifex bekannt. Vermutlich hätte er auch für die Verwechslung mit dem heiligen Nikolaus ein Lächeln übrig gehabt.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.12.2011)

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Esst ruhig alle Nikoläuse

Dinge, die Spaß machen, haben immer einen Haken. Warum der liebe Gott etwa die ganzen Vitamine nur in Salat, nicht aber in Schokolade gesteckt hat, leuchtet wohl keinem Kind so recht ein. Und dass geschmacksneutrale Biopampe den Körper belebt, ein kleines Täfelchen Zart-Bitter hingegen Rettungsringe um die Hüfte zaubert, ist eine Ungerechtigkeit. Aber warum ist das so? Vielleicht finden wir ja einen Hinweis in der VHS Alsergrund (9., Galileig. 8, 18 Uhr), wo Von der Kakaobohne zur zarten Versuchung auf dem Programm steht.

Konsequent weitergedacht muss man sich dann fragen, warum der Nikolaus statt bunt verpackter Kalorienbomben nicht ein paar Rhabarberstangen und Feldgurken in seine Säckchen packt. Fragen Sie ihn doch, wenn er bei Kasperl, Pezi und den Kindern in der Urania (1., Uraniastr. 1, 15 und 17 Uhr) vorbeischaut: „Sind Sie womöglich ein Agent der Zahnärztekammer auf der Jagd nach Umsatzzuwächsen?“

Aber was soll’s. Essen Sie ruhig auch heuer die Schokonikoläuse im Akkord. Ja, ja, bei jedem Bissen hört Ihr Zahnarzt scheinbar die Kasse klingeln. Aber, lieber Herr Doktor, zu früh gefreut. Denn mein heutiger Buchtipp ist die Rache für jede einzelne Plombe! Reiseziel: Zahnersatz (Reise Know-How Verlag Rump; 9,20 €), ein Büchlein mit Tipps und Tricks für den Dentaltourismus. Nicht, dass das an der Entstehung von Karies etwas ändern könnte, aber eine Zahnbehandlung irgendwo in der Südsee hat dann doch schon wieder etwas. Also, schmecken lassen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.12.2005)