So werd‘ ich nie ein echter Österreicher

Ivica Vastic ist ein gutes Beispiel für gelebte Integration. „Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher“ titelte die Krone bei der WM 1998, als der gebürtige Kroate – und zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre lang Eingebürgerte – in der Verlängerung das Tor zum 1:1 gegen Chile schoss. Damit war es also amtlich, und niemand im Land hält Ivo unser noch für einen Kroaten. Aber es geht auch umgekehrt – bei mir zum Beispiel. Mich hält man gerne für einen Armenier. Unvergesslich etwa die Szene in einem Café in Jerewan, das hauptsächlich von ausländischen Gästen frequentiert wird – alle am Tisch bekamen eine englische Speisekarte, nur auf meinen Platz legte die Kellnerin mit schlafwandlerischer Sicherheit ein in Ostarmenisch gehaltenes Menü. Und auch der Polizist, der unser Mietauto aufhielt, fiel aus allen Wolken, als ich auf seine Wortkaskaden nur mit einem ratlosen Schulterzucken reagieren konnte – „aber der ist doch Armenier“, murmelte er dann auf Russisch. All das geschah noch ohne einen Blick auf meinen Namen – denn auch der sorgte auf dieser Reise für massive Verwirrung, ist doch die klassische Endung eines armenischen Namens das „-ian“ am Ende. Nicht nur in einem Hotel war dann plötzlich ein Herr Kocian registriert.

Aber das ist nicht alles. Auf einem Fährschiff nach Baku wurde mir von einem Matrosen beschieden, dass ich einen guten Aserbaidschaner abgeben würde. Und eine Wirtin in Khiva meinte, ich hätte ein typisch usbekisches Gesicht. Das sind Momente, in denen man etwas zu zweifeln beginnt. Zementiert wird dieser Zweifel dann bei der Ankunft in Wien – wenn mich das Bodenpersonal am Flughafen als einzigen in der Reihe auf Englisch anspricht. Wie, bitte, soll ich mich da als Österreicher fühlen? Vielleicht sollte ich doch noch eine Karriere als Fußballer starten.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 16.06.2008)

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Das ist ein Amboss, du böse Ziege

Lebensnähe ist etwas, das nicht alle Bereiche unseres Lebens auszeichnet. Vor allem dann, wenn wir mit Objekten und Geschehnissen aus anderen Kulturkreisen konfrontiert werden, wird in der imaginären Gedankenblase allzu oft ein Fragezeichen sichtbar. Ein Beispiel? Nehmen wir das „Lehrbuch der armenischen Sprache“ von Margret Eggenstein-Harutunian zur Hand. „Sa sal e“ – gleich einer der ersten Sätze, den der Lernwillige zu Gesicht bekommt, lässt den Mitteleuropäer kurz fragend mit der Augenbraue zucken. Schließlich hat man den Satz „Dies ist ein Amboss“ vermutlich im aktiven Sprachgebrauch kaum wirklich verwendet – geschweige denn hat jemals an einem Amboss gearbeitet. Auch „Sa ul e“ ist nicht gerade jener Satz, mit dem der gelernte Wiener üblicherweise eine Konversation zu beginnen pflegt – „Das ist eine Ziege“. Gottlob wird gleich der in der Großstadt wahrscheinlichere Fall „Sa ul tsche“ mitgeliefert – wenn es sich beim Dackel der Nachbarin eben um keine Ziege handelt.

Falls nun Ihr Interesse geweckt sein sollte, sich näher mit der armenischen Sprache zu beschäftigen, lege ich Ihnen den Kurs A1 Armenisch in der VHS Brigittenau (20, Raffaelg. 11) nahe, für den heute Anmeldeschluss ist. Jenen, die keine Sprache lernen wollen, sei „Kulturen im Dialog“ am Polycollege (5, Stöbergasse 11-15) empfohlen, wo sich alles um kulturelle Standards, Kommunikationsmuster, und Wertvorstellungen dreht. Na, wie wäre es damit, Herr Westenthaler? Passt das noch in Ihren Dienstplan?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 01.10.2006)