Das Kreuz mit dem Doppelnamen

Namen sind als Objekte von Ärger oder Belustigung an sich tabu. Groß ist die Aufregung, wenn etwa ein Kolumnist auf Kosten eines Fußballers namens Schweinsteiger Schabernack treibt. Zu Recht, schließlich kann man sich seinen Namen nicht aussuchen. Und über die Persönlichkeit sagt er auch nicht wirklich etwas aus. Aus handwerklicher Sicht hat der Journalist allerdings durchaus seine Schwierigkeiten mit Namen. Vor allem in Kurzmeldungen schmerzt es enorm, den spärlich vorhandenen Platz mit Namen noch spärlicher zu machen. Da spürt der Schreiber jeden Doppelnamen doppelt schwer – das Worst-Case-Szenario des doppelten Vor- und Nachnamens kommt zum Glück nur selten vor.

Verschlimmert wird die Misere durch Funktionsbezeichnungen. Vor allem in den Kammern, etwa der Wirtschaftskammer, schleppen Funktionäre oft derartige Wortungetümer wie „stellvertretender Vorsitzender des Landesgremiums Wien für den Einzelhandel mit Leder-, Galanterie- und Bijouteriewaren sowie kunstgewerblichen Artikeln“ mit sich herum – ja, das gibt es wirklich. Angesichts derartiger Funktionen neigt der Schreiber dazu, nach einer kurzen Funktionsbezeichnung zu ringen, was im genannten Fall vermutlich auf „Lederhandelsobmann“ – oder so – hinauslaufen würde.

Fast schon vernachlässigbar sind da akademische Titel, die in der „Presse“ üblicherweise aber ohnehin unter den Tisch fallen. Ein schnelles „Mag.“, „Dr.“ oder „Prof.“ brächte die Kurzmeldung schon nicht zum Überlaufen. Auch das gern verwendete Mittelinitial (wie fänden sie Erich K. J. Kocina, zum Beispiel?) macht das Kraut nicht wirklich fett. Und das war auch schon alles, was zum Thema zu sagen wäre. Übrigens, meine zweiter Vorname ist Karl, der dritte Josef.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.01.2008)

Werbung

Stoppt die Kleingeldflut

Wie ein Virus breitet es sich im Lauf des Tages aus – Kleingeld. Verlässt man morgens die Wohnung noch mit einer flachen Geldbörse, wird sie, obwohl der monetäre Wert ständig sinkt, doch immer dicker. Das beginnt schon beim Frühstück. Für das Standardmenü (Jausenkornspitz und großer Kakao) wandert beim Ströck ein Zehn-Euro-Schein über den Tresen – das Retourgeld von 6,73 Euro kommt natürlich ausschließlich in Münzen. Klar, die Idee, sechs Euro in einen Fünfer und eine Ein-Euro-Münze zu teilen, ist ja ziemlich abwegig.

Zu Mittag führt der Weg in den Supermarkt. Nach ein paar schnellen Griffen ins Regal kann man sich an der Kasse fast schon sicher sein, dass der Betrag bei ziemlich genau 6,74 Euro liegt. Und schon wieder wird ein Zehner gezückt, und drei einzelne Euros und ein paar Cent dehnen die Geldtasche noch weiter. All jene, die sie in der Gesäßtasche der Hose aufbewahren, wirken spätestens jetzt etwas deformiert.

Natürlich, das kann mit Geldscheinen auch passieren – wenn man etwa in Usbekistan 50 Euro in die lokale Währung wechselt. Denn die rund 62.000 Sum werden in handlichen Päckchen ausgegeben, für deren Verwahrung zumindest eine größere Herrenhandtasche notwendig wäre. Abgesehen davon, dass Herrenhandtaschen an sich zweifelhaft sind, lernt man, mit den abgegriffenen Geldbündeln zu leben.

Und auch in Österreich lernt man, mit der Münzenflut umzugehen. Für den Abbau investiert man am Nachmittag eben eine Euro-Münze für einen Eistee aus dem Automaten. Gegen Abend geht man dann noch auf ein Getränk, etwa ins Luftbad (6, Luftbadg.), wo heute die Jazzband Velvet Ottakring auftritt – mit immer noch 9,01 Euro in Münzen in der Tasche. Und betet, dass der Eintritt nicht 10 Euro kostet.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.01.2008)

Nicht einmal in Ruhe essen . . .

An Fotos von sich selbst findet der Betrachter üblicherweise ohnehin kaum etwas Gutes. Besonders schlimm wird es allerdings erst dann, wenn die abgebildete Situation so richtig unvorteilhaft ist. Politiker, im Umgang mit Medien geschult, vermeiden daher weitgehend gefährliche Situationen – man fasst sich nicht an die Nase, kratzt nicht am Hintern oder blickt allzu konzentriert ins angeschneuzte Taschentuch, um nicht dem schon lauernden Fotografen ein allzu gutes Motiv zu liefern. Weniger gut Geschulten – vornehmlich Privatpersonen – begegnet man zum Gaudium des Betrachters (und des Fotografen) dagegen laufend in digitalen wie analogen Fotoalben, schließlich zeichnen sich nicht nur Pressefotografen durch eine gewisse Bösartigkeit aus.

Die beste Gelegenheit, jemanden besonders unvorteilhaft darzustellen, findet der Hobby-Paparazzo bei den alltäglichsten Verrichtungen, etwa beim Essen. So sollte Rucola aus Prinzip erst dann bestellt werden, wenn die gesamte Tischgesellschaft ihre Kameras in sicherer Entfernung deponiert hat. Und auch der Biss in den Big Mac bietet keinen allzu würdevollen Anblick – die Anwesenheit sogenannter Freunde, die in jenem Moment auf den Auslöser drücken würden, endet garantiert mit einem Meuchelfoto. In so mancher gastronomischen Einheit böte sich daher an, statt einer rauchfreien eine fotofreie Zone einzurichten. Denn wie kommen Nichtfotografen dazu, von Uneinsichtigen durch Passiv-Fototerror belästigt zu werden. Und das auch noch während der Fütterung.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.01.2008)

Die geheimen Toiletten der Stadt

An Bedürfnissen kann man auch konsequent vorbeiproduzieren. Da gibt es esoterische Stadtführer über Kraftorte, mystische Stätten und dergleichen, doch im Notfall fängt man mit Keltengrab oder Kapuzinergruft wenig an. Schon eher nach banaleren aber unentbehrlichen Requisiten der Großstadt. Zwar gibt es einen herrlichen Band diesen Namens über Wiens öffentliche Toiletten (Peter Payer, Löcker Verlag), doch ist man bei der Suche nach jenen geneigt, den darin beleuchteten historischen Aspekt nicht so wichtig zu nehmen, muss doch erst die unterste Stufe der maslowschen Bedürfnispyramide abgearbeitet werden. Abhilfe schafft ein Toiletten-Stadtplan, den der Pharma-Konzern Pfizer für Wien (auch für Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck – www.pfizer.co.at/online/page.php?P=771) herausgegeben hat.

Der Variante, in Lokalen ohne Konsumation den Weg zur Toilette zu beschreiten, wird zunehmend ein Riegel vorgeschoben. Bei Haas & Haas am Stephansplatz bekommen Kunden längst einen Zahlencode, mit dem sich die Tür öffnen lässt. Und die McDonald’s-Filiale auf der Mariahilfer Straße vergibt an zahlende Kunden Klo-Gutscheine. Schwierigkeit: Schon beim Bestellen muss man das wissen – der unbestechliche Klomann im Keller lässt sich mit „Aber ich habe schon gegessen“ nicht abspeisen. Daher die Aufforderung an Jungautoren: Wir brauchen einen „Secret Toilet Guide“, in dem jene versteckten Plätze verzeichnet sind, die schnell Abhilfe bieten. Wird sicher ein Bestseller. Und deckt echte Bedürfnisse.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.01.2008)