In welcher Farbe möchten Sie Ihren Wombat?

Es ist immer schön, wenn man zu den wirklich wichtigen Dingen befragt wird.

Wombats haben würfelförmigen Kot. Ich finde, das sollten Sie wissen. Für Ihr weiteres Leben mag diese Information aus dem Lexikon des unnützen Wissens nicht rasend viel Bedeutung haben, aber was hat das schon. Nehmen wir zum Beispiel die demokratische Mitbestimmung. Vergangene Woche stopfte die staatliche Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Sie wissen schon, das ist der beim spielerischen Langewörterbilden viel zu selten eingesetzte kleine Bruder der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft) das Sommerloch mit einer Aktion fast zur Gänze zu: Per Internet kann darüber abgestimmt werden, ob die Autobahnvignette 2017 lieber rot oder türkis sein soll. Eine Entscheidung, wegen der sich nun tausende Menschen ob ihrer demokratischen Verantwortung unruhig in den Betten wälzen. So wie damals, als die Wiener Linien über die Farbe der neuen U5 abstimmen ließen (sie wird übrigens türkis, hat der Souverän entschieden). Diese Technik, berichtet eine Mutter, funktioniert übrigens auch bei Kindern gut – „Willst du mir beim Straßenüberqueren lieber die linke oder die rechte Hand geben?“

Zu den wirklich wichtigen Dingen wird man dagegen nie befragt. Zum Beispiel, ob ein Adler als nationales Wappentier überhaupt noch zeitgemäß ist. Jede Wette, dass bei einer Abstimmung ein ganz anderes Tier die absolute Mehrheit erhalten würde. Ein Wombat, zum Beispiel. Der ist hierzulande zwar nicht heimisch, sondern nur in Australien (Gibt es eigentlich schon T-Shirts à la „There are no wombats in Austria“?). Aber andererseits – haben Sie schon einmal einen Adler in freier Wildbahn gesehen? Eben. Denkwürdig werden dann auch die Worte, mit denen das Ergebnis der Abstimmung am Abend im Fernsehen offiziell bekannt gegeben wird: „Sehr geehrte Damen und Herren, die Würfel sind gefallen.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.07.2015)

JJ Harrison (jjharrison89@facebook.com)

(c) JJ Harrison (jjharrison89@facebook.com)

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Passt schon, kaufen Sie sich damit etwas Schönes

Die Geschichte des Trinkgelds ist eine Geschichte voller Missverständnisse und sprachlicher Fallen.

Es mag mitten in der Hitzewelle deplaziert wirken, das „Alle Jahre wieder“. Aber es passt. Wenn nämlich in der Urlaubssaison wieder die Trinkgeld-Knigge aus dem Sommerloch gezogen werden. In welchem Land wie viel erwartet wird, dass es in Italien schon in der Rechnung inbegriffen ist und Kellner in den USA darauf angewiesen sind. Ist ja auch vernünftig, sich mit den Gegebenheiten in anderen Kulturkreisen zu beschäftigen. Nur sollte man auch daheim nicht ganz auf die Etikette vergessen. „Das können Sie sich behalten“, ist zum Beispiel eher nicht die korrekte Formulierung, wenn die Verkäuferin in der Bäckerei zwei Cent Wechselgeld zurückgeben will. So wie auch das „Kaufen Sie sich damit etwas Schönes“ maximal in drittklassigen Comedyfilmen für ein kurzes Kichern sorgt. Irgendwo zwischen gönnerhaft und herablassend könnte auch das Werfen von Münzen ankommen – wenn man Tresen und Trevi-Brunnen durcheinanderbringt, kann ja passieren. (Kleiner Tipp: Statt Tresen einfach Schank oder Budel sagen, da ist die Verwechslungsgefahr nicht so groß.) Ansonsten liegt man mit einem „Der Rest ist für Sie“ meist nicht ganz falsch. In Wien kommt man mit einem „Stimmt schon“ oder „Passt schon“ auch ganz gut über die Runden. Solange man dabei nicht allzu auffällig zwinkert. Blink, blink, Sie wissen schon. Die gebräuchlichste Variante ist ohnehin, einfach die Zahl zu sagen, auf die man aufrunden möchte. Gern auch mit einem „Bitte“ dahinter. Oder nur „Danke“ sagen beim Überreichen der aufgerundeten Summe. Geht auch.

Apropos Trinkgeld. Da war unlängst diese kleine Bäckerei. Das gewünschte Gebäck kostet 1,99 Euro. Der Verkäufer nimmt die Zwei-Euro-Münze, steckt sie ein und verabschiedet den Kunden mit einem gönnerhaften „Passt schon!“ Was man darauf sagen soll, steht natürlich wieder in keinem Knigge.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.07.2015)

Der Endspört, zu dem manche Endschpurt sagen

Ein englisches Wort, das es gar nicht gibt, kann eigentlich nicht falsch ausgesprochen werden.

Lesen Sie das folgende Wort bitte einmal laut vor: „Endspurt“. Gut gemacht, vielen Dank! (Falls Sie es nicht getan, sondern einfach weitergelesen haben, muss ich wohl an meiner Überzeugungskraft arbeiten . . .) Also: Haben Sie gerade so etwas wie „Endschpurt“ gesagt, wurden Sie sprachlich vermutlich in Deutschland sozialisiert. Klang es dagegen etwa wie „Endspört“, sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem österreichischen Deutsch aufgewachsen. (Dass ein Deutscher die österreichische Aussprache in der Vermutung, es handle sich um ein englisches Wort, als „Endspirt“ transkribieren würde, ist übrigens nur eine bösartige Unterstellung, die sich empirisch maximal durch einen konkreten Fall belegen lassen würde, aber das führt jetzt zu weit.) Im Englischen ist das scheinbar englische Wort übrigens nicht bekannt, da wird das Anziehen des Tempos am Ende einer sportlichen Tätigkeit eher als „final spurt“ oder „final sprint“ bezeichnet.

Dass es diesen sprachlichen „gap“ (wird der in Deutschland eigentlich eingedeutscht?) gibt, weiß man ja. Da ist etwa diese Zahnpasta. Der Reifenhersteller mit den Fettröllchen aus Clermont-Ferrand. (Gut, das ist Französisch, aber der Effekt ist der Gleiche.) Das lustige Plastikgeschirr, das bei Partys vertrieben wird. Und auch dieses Versandhaus im Internet wird von Deutschen eher deutsch, von Österreichern eher englisch ausgesprochen. Versuchen Sie übrigens einmal, „ämasn“ in Google einzutippen – da wird tatsächlich die richtige Seite gefunden! (Natürlich haben Sie das jetzt ausprobiert und ein erstauntes „Stimmt!“ von sich gegeben.) Damit wir am Ende aber auch etwas von alldem haben, eine kleine Weisheit: „Wer auf halber Strecke zum Endspurt ansetzt, dem geht die Puste vor der Zielgeraden aus.“ Und wenn es Sie beim Wort „Puste“ gerade kurz gerissen hat, haben Sie vorher definitiv „Endspört“ gesagt.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.07.2015)

Zum Zuhören beim lauten Denken degradiert

Der Moment, in dem man von anderen Menschen als stumme Denkhilfe benutzt wird.

Ich denke jetzt nur laut. Zugegeben, hören können Sie das nicht, das ist ein Nachteil der geschriebenen Sprache, aber nehmen wir an, jemand würde in einem Dialog mit genau diesen Worten zu einem Redeschwall ansetzen. Was genau steckt dahinter? Dass das Gegenüber in Wirklichkeit noch gar keine Ahnung hat, welche Meinung es jetzt eigentlich vorbringen will? Klar, woher soll jemand wissen, was er denkt, bevor er hört, was er sagt? Tatsächlich hat lautes Denken durchaus seinen Sinn. Sich einsam das Hirn zu zermartern bringt deutlich weniger, als einem armen Tropf seine Gedankengänge frisch geschlüpft auf dem Tablett zu servieren. Gerade in einem kreativen Tief ist es eine bewährte Taktik, sich jemanden zu suchen, der sich unter dem Vorwand, dass man seine Meinung wissen will, das Für und Wider anhören muss, zwischen dem man gerade schwankt. Da sitzt nun das Opfer, lauscht andächtig den Ausführungen. Und ist doch nur ein potemkinscher Zuhörer, weil lautes Denken ohne Widerpart gesellschaftlich nicht allzu anerkannt ist. Denn kaum hat der Lautdenker zu sprechen begonnen, fügen sich in seinem Gehirn all die Puzzleteile zusammen, die vorher in der Selbstzermarterung nicht zueinanderfinden wollten.

Manchmal wird das laute Denken auch als Frage getarnt: „Darf ich dich um deine Meinung fragen?“ Es folgt ein genauer Problemaufriss, dem man andächtig lauscht. Und in dem Moment, in dem der Zuhörer zu einer Antwort ansetzen will, wird der Fragende gerade von seiner intellektuellen Niederkunft überrascht. Ist es ein netter Mensch, gibt er nun zumindest noch vor, der Antwort zuzuhören. Ist er das nicht, legt er eine 180-Grad-Drehung hin und geht ab. „Du hast mich benutzt“, möchte man ihm dann hinterherrufen. Aber man belässt es dann meist doch nur beim Gedanken. Manche Dinge denkt man lieber nur leise.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.07.2015)