Wenn ich das fragen darf am Ende einer Frage

Britische Forscher haben herausgefunden, dass man die Frage dann nämlich schon gestellt hat.

Die Wahrscheinlichkeit, bei einer 50:50-Auswahl auf das falsche Ergebnis zu tippen, liegt bei 100 Prozent. Liebe Mathematiker, denen jetzt vor Schreck das Monokel ins Kaffeehäferl gefallen ist, das ist natürlich nur eine gefühlte Wahrheit. Aber eine, die sich fortsetzen lässt. Wenn etwa das Gegenüber fragt, welchen Belag man auf der Pizza hat – man sieht Pilze, denkt Schwammerl, sagt Pimmerl und wird ausgelacht. Gut, bei der Auswahl zwischen zwei Optionen eine dritte zu bringen, ist natürlich etwas anderes. Aber klar, dass die dritte falsch ist. Hundertprozentig richtig ist dafür, dass der meistgegoogelte Begriff am Tag der Zeitumstellung „Uhrzeit“ ist, wenn ich das so sagen darf. Apropos, wenn ich das fragen darf am Ende einer Frage zu sagen, ist auch etwas, worüber wir diskutieren sollten. Britische Forscher haben herausgefunden, dass man die Frage, wenn man auf diese Weise klarstellen will, ob man sie überhaupt stellen darf, nämlich schon gestellt hat. Statistische Auswertungen haben ergeben, dass der Gefragte bei der Antwort wieder eine Chance von 50:50 hat. Und dass er die Option „das geht dich überhaupt nichts an“ inklusive Fäkalausdrücken nur selten zieht.

Zu 100 Prozent korrekt scheint auch die Theorie zu sein, dass man, wenn das Duschbad schon in der Duschkabine steht, nicht klatschnass heraussteigen muss, um es aus dem Badezimmerschrank zu holen. Und wenn wir schon bei der Reinlichkeit sind – Sie kennen ihn doch sicher auch, diesen Moment, wenn man die Wohnung putzt und ein Jahr später ist alles wieder dreckig. Wozu das ganze, fragen sich dann 100 Prozent, die die Endlichkeit alles Sauberen drastisch vor Augen geführt bekommen. Und noch etwas: Glauben Sie auch, dass 99,9 Prozent all jener, die sagen, dass etwas zu 99,9 Prozent wahrscheinlich ist, das vorher gar nicht wirklich berechnet haben? Also, wenn ich das fragen darf . . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.03.2017)

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Lassen Sie es sich schlecht schmecken

Nichts für gut! Nur, weil wir einmal einer Meinung sind, werden wir noch lange keine Freunde.

Winterstürme wichen dem Wonnemond, in mildem Lichte leuchtet der Lenz. Ja, eh, heute ist Frühlingsbeginn. Nur, dass der Wonnemond erst im Mai ansteht (ah, Wonnemonat!) und der gelernte Österreicher sogar dem Lenz (Lenzing war übrigens das alte deutsche Wort für März) noch etwas Negatives abgewinnen kann: In nur drei Monaten werden die Tage schon wieder kürzer. Nur sagen würde man das Negative ja doch nie. Oder haben Sie schon einmal von einem Kellner „lassen Sie es sich schlecht schmecken“ gehört? „Zum Unwohl“ beim Anstoßen zu sagen, traut sich auch selten jemand. Selbst, wenn wir es bei manchen so meinen würden. Dafür plappern wir brav „gute Besserung“, wenn jemand krank ist. (Eine ähnlich unsinnige Tautologie wie Chai Tee, aber schweifen wir nicht ab.) Wäre das Gegenteil eigentlich eine schlechte Besserung? Oder eine gute Schlechterung? Wenn sich ein Zustand schlecht verschlechtert, wird er dann besser? Wenn ein Schnupfen besser geworden ist, rinnt und rotzt die Nase dann nicht noch viel mehr? Und wenn wir schon beim sprachlichen Frühjahrsputz sind, die Redewendung „nichts für ungut“ brauchte auch eine negative Variante. Wenn man etwa jemandem, dessen Weltbild dem eigenen diametral entgegensteht, in einer Sache recht geben muss. „Nichts für gut, Bussibär! Nur, weil wir einmal einer Meinung sind, heißt das nicht, dass wir Freunde werden.“

Entbehrlich sind dagegen nach wie vor neue Wortkreationen, in denen eine Person mit dem Präfix „Wut“ aufgeladen wird. Die Inhaberin eines Schönheitssalons als „Wut-Beauty“, zum Beispiel. (Immerhin, die männliche Variante „Wut-Beau“ ginge vielleicht noch als Name eines Charakters in einem Science-Fiction-Film durch.) Diese gedankenlose Verwutisierung könnte einen so richtig wütend machen. Oder, wie so gern beschwichtigend gesagt wird: Alles wird Wut!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.03.2017)

Für Garderobe wird keine Hoffnung übernommen

Von „Tschüss Gott“ bis zum Körpersprachfehler: Über Verhörer, Verleser und Verdenker.

Hat die Verkäuferin sich gerade wirklich mit „Tschüss Gott“ verabschiedet? Vielleicht spielt sie ja gern mit Sprache, vielleicht lassen aber auch die Ohren langsam nach. Schon ein kürzlich mitgehörter Dialog hat diese Frage aufgeworfen: „Schönen Tag noch“ „Danke, notfalls.“ Wobei, manche Verhörer schaffen ja gleich eine neue Dimension. Denken wir etwa an die Generation Hutbürger. Weg ist er, der Furor über was auch immer. Hauptsache, das Haupt ist bedeckt. All den Zorn kann man dann ja auf der Wutablage abstellen, gleich neben dem Wackeldackel. Den kennen Sie noch, oder? War mal sehr in Mode. Hinten im Auto ist er gesessen und hat im Rhythmus der Straße unter ihm genickt. Ein guter Zuhörer, eigentlich. Denn will man etwas erzählen, gibt es nichts Lästigeres als Menschen, die die Erzählung unterbrechen und irgendetwas aus ihrem eigenen Leben anbringen wollen. Allerdings sinkt der Grad seines zustimmenden Nickens auf null, sobald das Auto etwas länger steht. Und in der Wohnung braucht man es gar nicht erst zu versuchen.

Aber jetzt sind wir vom Thema abgeschweift. Verhörer kann man nämlich auch verlesen. „Für Garderobe keine Hoffnung“ zum Beispiel. Auch von Verschmeckern wird gelegentlich berichtet – wenn etwa jemand vor einer besonders kleinen Chilischote steht, nach vorn gebeugt wie vor einem Kinderwagen und begeistert aufschreit: „Oh mein Gott, die ist aber süß!“ Aber gut, solange es nicht zu Verdenkern kommt. Etwa mit der Frage, ob man bei einem Pudel den Kern mitessen kann oder ihn ausspucken muss. Nicht zuletzt kann es auch bei der nonverbalen Kommunikation Missverständnisse geben – wenn jemand zum Beispiel dem anderen anbietet, als Erster durch die Tür zu gehen, doch im gleichen Moment selbst losmarschiert. Klassischer Körpersprachfehler. In diesem Sinne: Tschüss Gott!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.03.2017)

Im Netz führte das zu einem Sturm der Entrüstung

Wenn der eiserne Besen den Parkettboden zerkratzt, braucht es lückenlose Aufklärung.

Wenn die Zeit fehlt, bietet sich ein Griff in die Convenience-Abteilung an. Beim Kochen also etwa Halbfertiggerichte, die man nur noch zusammenschütten muss und dann doch als kreative Eigenleistung verkaufen kann. Wenn einem einmal nichts und nichts Gescheites einfällt, lässt sich aber auch Kommunikation wie Instant-Kartoffelpüree anrühren. Zum Stopfen wortmeldungshungriger Schnäbel reicht das allemal. Man nehme etwa eine Portion „lückenlose Aufklärung“ und streue sie mit einer Prise gespielten Furors über jegliche Malversation. Für ein wenig anerkennendes Kopfnicken sollte das jedenfalls reichen. Oder man schreie nach dem „eisernen Besen“, mit dem einmal so richtig sauber gemacht werden soll. Kleiner Pro-Tipp: Der hinterlässt auf empfindlichen Oberflächen unschöne Kratzer. Falls es sich also um unseren gemeinsamen Parkettboden handeln sollte, lassen wir das bitte lieber. Schnellen Applaus bringt auch die Aufforderung, jemand „soll endlich arbeiten“. Vielleicht sollte man die eher an die richten, denen nicht mehr als derartige kommunikative Instantware einfällt. Wer dann auch noch mit der Konstruktion, etwas „ist abzulehnen“ arbeitet, hält sich vermutlich auch nach dem Öffnen einer Dose Erbsen für einen Haubenkoch.

Haben Sie ein Aquarium? Dann kennen Sie das Phänomen, wenn Sie von oben Flockenfutter ins Wasser rieseln lassen. Wie von einem Magneten angezogen sammeln sich dann die Fische zu einer Wolke, die auf die bunten Plättchen zuströmen und sie aufpicken. Einmal gesehen, ist der Neuigkeitswert bei jedem weiteren Mal quasi Null. So wie auch beim Einsatz der Instant-Phrase „Im Netz führte das zu einem Sturm der Entrüstung“. Die geht auch immer. Warum das so ist, das sollten wir jedenfalls lückenlos aufklären. Oh, jetzt ist mir der eiserne Besen ins Aquarium gefallen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.03.2017)