Wir sind für sich, weil ich dich mich

Man muss in letzter Zeit ja fürchterlich vorsichtig sein. Sobald man einen kongenialen Slo gan entdeckt hat, kommen schon die Spötter und – noch schlimmer – die Konkurrenten. Und der eben noch gefeierte Spruch wird plötzlich per einstweiliger Verfügung ins Wahlkampf-Nirvana verbannt. Nun kann man dagegen mit zwei Strategien arbeiten: Man erfindet einen griffigen Slogan, durch den sich eine andere Partei angegriffen fühlt, lässt sich die Verwendung verbieten und ist dadurch mindestens eine Woche lang Tagesgespräch. Oder man greift auf derart sinnentleerte Sprüche zurück, dass erst gar niemand auf die Idee kommt, sich daran zu stoßen. „Schönes Wetter heute“, zum Beispiel, oder „Hier geht’s uns gut“. Sehr beliebt ist auch die Reflexivpronomenschlacht à la „Wir für Euch“, vielleicht kombiniert mit ein bisschen Heldenmythos („Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“). Verwirrend, oder? Wie war das nochmal, wir sind für sich, weil ich dich mich?

Sind wir uns ehrlich, viel mehr Spaß als die derzeitige Debatte um die Wahlplakate kann die „Lange Nacht des Kabaretts“ (Kabarett Niedermair, Lenaug. 1a; 19.30) auch nicht machen. Schade wäre, wenn Westenthaler und Strache heute Abend im Bamkraxler (19, Kahlenberger Str. 17; 18.30 Uhr) auftauchen würden – beim Workshop „Feng Shui – Die Kunst in Harmonie zu leben“. Da gieße ich lieber noch ein bisschen Öl ins Feuer: H.C. Straches Mundwinkel wurden auf den Plakaten künstlich nach oben gezogen! Ha! Und jetzt warte ich auf eine einstweilige Verfügung.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.09.2006)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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