Emoticon essen Ironie auf

Ironie ist ganz schlecht – das lernen angehende Zeitungsjournalisten in der ersten Lektion. Hat auch eine gewisse Logik, schließlich kann der Leser weder den Tonfall des geschriebenen Wortes hören, noch den Gesichtsausdruck des Autors beim Verfassen desselbigen sehen. Bisher hat es sich in den Redaktionen des Landes auch noch nicht durchgesetzt, ironisch gemeinte Passagen durch <ironie>HTML-Tags</ironie> zu kennzeichnen. Und auch die im Internet eingesetzten Smileys à la 🙂 oder 😉 haben es noch nicht in den methodischen Baukasten der Redaktionssysteme geschafft.

Das ist auch gut so. Schließlich werden Emoticons längst so beliebig eingesetzt, dass die Ironie nur noch traurig danebenstehen und ihren eigenen Tod beklagen kann. „Ich war gerade in meinem Stammcafé :)“ – wozu rückt der Autor ein Smiley an das Ende dieser ohnehin nicht sehr spannenden Lebensbeichte? Wo ist die Ironie versteckt? Oder was genau ist daran lustig? (Vielleicht geht er ja zu Starbucks und möchte „Café“ ironisch konnotieren . . .)

Umgekehrt scheint es, als ob so manche tatsächlich ironisch gemeinte Meldung ohne erklärendes Emoticon nicht mehr als solche verstanden wird. „Du blöder Hund“, nicht flankiert von einem Smiley, wird wohl zwangsläufig ernst genommen – da kann der Autor beim Eintippen noch so viel gegrinst haben.

Doch all das ist noch gar nichts gegenüber den Zeitgenossen, die Smiley & Co. in die gesprochene Sprache transportieren: Der Inflektiv, gebildet durch Weglassen der deutschen Infinitivendungen -n oder -en, mag ja in Schriftform einen Reiz haben. Doch wer „Lach“, „Seufz“ oder „Quietsch“ in der mündlichen Kommunikation einsetzt, ist ein blöder Hund. Und nein, da steht jetzt absichtlich kein Smiley.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 10.05.2010)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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