Auch stilles Wasser macht beim Einschenken Lärm

Über klassische Einwegkommunikation in einsamen Stunden.

Allzu gesprächig ist Wasser ja an sich schon nicht. In einsamen Stunden einen Dialog mit einem gefüllten Glas zu beginnen, endet dann doch in klassischer Einwegkommunikation. Hätte man sich halt vorher überlegen müssen, ehe man zum stillen Wasser gegriffen hat. Wobei auch das gesprächige Wasser nur bedingt als Partner sozialer Interaktion dient. Viel mehr als ein beständiges leises Blubbern bekommt man auch aus einer Flasche mit Kohlensäure nicht heraus. Und selbst sie lässt sich rasch wieder zum Schweigen bringen, indem einfach der Schraubverschluss wieder zugedreht wird. Auch das nicht stille Wasser kann also bedenkenlos auf den Nachttisch gestellt werden, ohne dass man Angst haben muss, durch einen plötzlichen Redeschwall von ihm geweckt zu werden. Viel zu erzählen hätte es ja wahrscheinlich, hat es ja je nach Herkunft schon einiges gesehen, ist durch Wolken geflogen, womöglich halb erfroren auf einem Berg gelandet und hat sich dann zum Aufwärmen wieder nach unten verzogen. Doch vermutlich dauert es einige Zeit, all das Erlebte zu verarbeiten, um es auch anderen weitergeben zu können. Doch noch bevor das passiert, ist es auch schon getrunken. Tja.

Überhaupt sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn auch stilles Wasser kann laut sein. Es blubbert sogar ganz gewaltig beim Einschenken, wenn man es nur schnell genug macht. Dann ist es allerdings wieder still. Und müsste dem Sprichwort zufolge dann auch tief sein, aber in einem Viertelliterglas ist das doch eine ziemlich gewagte Behauptung. Und jeder weitere Versuch, die Flüssigkeit zum Reden zu bringen, ist ein Schlag ins Wasser. Wobei, eine Möglichkeit gibt es schon noch, indem man es heiß macht – hallo Baby, soll ich dir meinen Wasserkocher zeigen? Doch selbst dann ist nicht viel mehr drin als sinnloses Geblubber, von einem Gespräch ist keine Rede. Naja, es kocht halt auch nur mit Wasser.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.01.2016)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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