Ich bin so faul, dass ich manche Sätze nicht zu Ende

Im Grunde ist es grotesk, dafür bezahlen zu müssen, faul sein zu dürfen. Genau diesem Phänomen begegnet man dennoch immer wieder – die gesamte Wellnessindustrie lebt davon. Mit dem feinen Unterschied, dass die Tätigkeit des Faulseins – sofern man das überhaupt als Tätigkeit bezeichnen kann – mit anderen Begriffen euphemismiert wird – sofern es dieses Wort überhaupt gibt. Da wird dann eben vom „Chillen“ gesprochen, vom „Relaxen“ oder, ganz ohne Anglizismus, vom „Entspannen“.

Dieser Argumentation folgend wäre es ja naheliegend, den Geiz in das Rennen gegen die Faulheit zu schicken und auf diese Art ein drohendes Wochenende in einer Therme abzuwenden. Noch eleganter ist es allerdings, gleich die Faulheit selbst zu instrumentalisieren, um gar nicht erst Auto, Zug oder dergleichen bemühen zu müssen. Vom angestrengten Zwang, sich gefälligst entspannen zu müssen, ganz zu schweigen.

Faulheit kann man nicht erzwingen, das widerspricht ihrer Natur. Faulheit muss einfach sein können, ohne dass nach ihr gefragt werden muss. Und der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit, wie Kant Faulheit definierte, ist nicht zwangsläufig ein Widerspruch zum kapitalistischen System, wie jetzt mancher Leistungsträger einwenden könnte. Im Gegenteil, denn Arbeiten, um nicht denken zu müssen, kann man genauso gut als Art von Faulheit betrachten. Ganz und gar nicht faul ist es allerdings, sich in Gedanken der Faulheit zu widmen, sie mit zitablen Sätzen zu umschreiben, etwa „Faulheit ist die Angewohnheit, sich auszuruhen, bevor man müde wird“ (Jules Renard), oder sich Blödheiten auszudenken, mit denen man dem Müßiggang eine komische Note abgewinnen kann. Diese Kolumne mit den Worten aus dem Titel zu schließen, wäre allerdings nicht faul. Nur billig.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.02.2011)

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