Des Türken liebstes Instrument

Des Türken liebstes Instrument ist die Hupe. Sie beherrscht er in all ihren Facetten, reizt virtuos ihr Klangspektrum aus von pianissimo (selten) bis zu forte (öfter) und fortissimo (meistens). Die Musikalität lebt er vor allem spontan aus. Beauftragte man früher einen Komponisten, nach siegreicher Schlacht einen Triumphmarsch zu Blatt zu bringen, agiert der Türke spontan und wartet erst gar nicht auf das Vorliegen der Partitur. Die Sinfonie für Halbmond und Hupe zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass auf crescendo weitgehend verzichtet wird, stattdessen subito nach einem freudigen Ereignis zu den Instrumenten gegriffen wird.

Was die Orchestrierung betrifft, orientiert man sich weniger an den halbleeren Orchestergräben eines Mozart sondern fährt eher Geschütze in Wagnerschen Dimensionen auf (Dass Hupen nach dem Prinzip des Wagnerschen Hammers, der einfachsten Form eines elektromagnetischen Unterbrechers arbeiten, hat damit übrigens nichts zu tun). Vom Smart-Cabrio bis zur LKW-Zugmaschine werden alle Instrumente ausgepackt, mit wehenden Halbmond-Fahnen versehen und in die Open-Air-Arenen der Stadt geschickt. Erste Reihe fußfrei – und ohne Platzkarten – erlebt das Publikum dann eine Vorführung, deren Monotonität vor allem ein Gefühl transportiert – Euphorie. Zuletzt gesehen in der Nacht von Samstag auf Sonntag am Wiener Gürtel. Karlheinz Stockhausen muss sich im Grab umgedreht haben, sogar sein Helikopter-Streichquartett konnte nicht die Intensität erreichen, wie sie das türkische Huporchester gezaubert hat. Der nächste Anlass für ein spontanes Hupkonzert könnte am Mittwoch bevorstehen, wenn das türkische Team auf Deutschland trifft. Wer sich für moderne Musik begeistern kann, weiß ja, wem er die Daumen drücken muss.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.06.2008)

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