Provinz ist, wo ich bin

Fährt der Wiener mit dem Zug aus der Hauptstadt, regt sich beim Betrachten der Orte, in denen immer wieder Halt gemacht wird, allzu leicht der urbane Großkotz. Bei Ortsnamen wie Absdorf-Hippersdorf oder Groß Schweinbarth fragt sich der gelernte Großstädter mit wohligem Schaudern, welches Provinznest sich denn wohl hinter dem Bahnhofsgebäude verstecken möge. Nun, dabei wissen wir schon seit längerem, dass Provinz keine Frage der Geografie, sondern vielmehr der inneren Einstellung ist. Und so tut es richtiggehend gut, sich das eine oder andere Mal jenen Dingen zu widmen, die auf den ersten Blick furchtbar provinziell erscheinen.

Ohne schlechtes Gewissen Bon Jovi-Lieder mitzusingen, zum Beispiel. Man glaubt gar nicht, wie befreiend es sein kann, bei der Woodman-Party, dem Fest für Waldviertler und Freunde in der Wiener Arena, lauthals „Livin‘ on a Prayer“ mitzugrölen – im Szenelokal üblicherweise undenkbar. Undenkbar ist für viele auch, auf der Straße leben zu müssen. Für einige Menschen ist das allerdings traurige Realität. Auch für die Mitglieder des Obdachlosengesangsvereins Stimmgewitter, der heute seinen fünften Geburtstag feiert (19.30 im Carioca, Wasnerg. 17, 1200 Wien).

Gefeiert wird übrigens auch im Schikaneder, nämlich die Präsentation von Austrofreds neuer DVD „Giving Gas“, einem Road Movie, in dem das Freddie Mercury-Double im blauen Opel durch das Land gondelt (19.30, 21.00 und 22.30, Tel.: 01/58 52 867). Frei nach dem Motto: Provinz ist, wo ich bin.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.10.2005)

Werbung

Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: