Offensive Verweigerung

Trends und Modeerscheinungen haben die dumme Eigenschaft, von einer Unzahl an Menschen aufgegriffen zu werden. Kaum wanderte man mit einer Freitag-Tasche über die Mariahilfer Straße, schon schnallten sich weitere Menschen Lkw-Planen um die Schultern. Kaum hatte man Back to Bedlam von James Blunt als Import von der britischen Insel teuer erstanden, tauchte die CD schon in den Regalen österreichischer Musikmärkte auf. Wie, verdammt noch mal, soll man da individuellen Geschmack zeigen, wenn alles sofort abgekupfert wird? Es reicht. Die Zeit ist reif für offensive Verweigerung jener Dinge, die in Verdacht stehen, modern zu sein oder von Irgendjemandem aufgegriffen zu werden.

Zunächst wird die trendige Tasche durch ein Plastiksackerl mit dem Aufdruck Einkaufszentrum Simmering ersetzt. Statt auf einen Cafe latte im Museumsquartier geht es auf einen Filterkaffee zum Würstelstand. Und am Abend wandere ich nicht zur Präsentation des neuen Sofa Surfers-Albums (21 Uhr; Transporter, Margaretenstr. 54), sondern besuche auf der Kleinkunstbühne Brennessel (19.30 Uhr; Auerspergstr. 19) die Hommage an Peter Alexander, dargebracht von Wiens Ex-Verkehrsstadtrat Fritz Svihalek. Sollte ich mich dann doch zum London Calling ins Flex verirren, setze ich mich in eine Ecke und lese ein Buch aus dem Antiquariat: Hildegund Fischle-Carls Zwischen Anpassung und Verweigerung. Das Ich in seiner Umwelt (Moewig Verlag). Wer mir das jetzt auch noch nachmacht: Selber schuld!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.11.2005)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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