Menschen sind zum Hassen da

Ich bin kein Rassist, ganz und gar nicht. Ich finde Menschen generell schrecklich. Es bereitet mir Qualen, einen Brief oder eine E-Mail mit „Sehr geehrter . . .“ oder gar „Lieber . . .“ zu beginnen. Und auf der völlig überfüllten Mariahilfer Straße habe ich mir nicht erst einmal gewünscht, die Erde möge sich auftun. Laut gängiger Definition darf ich mich deswegen als Misanthrop fühlen – zumindest zeitweise. Geht es Ihnen auch manchmal so? Steckt in Ihnen nicht wenigstens ein temporärer Misanthrop? Keine Angst, Sie sind damit in guter Gesellschaft. Schon Mark Twain, Arthur Schopenhauer oder Thomas Bernhard wurde Misanthropie nachgesagt. Und auch unter zeitgenössischen Autoren lassen sich einige finden.

„Macht und Rebel“ von Matias Faldbakken etwa entfaltet gleich auf den ersten Seiten eine derart große Ladung Menschenhass, für die der Normalbürger vermutlich wochenlang sparen müsste. Der Subtitel „Skandinavische Misanthropie II“ spricht Bände – schon das erste Buch des Norwegers „The Cocka Hola Company“ war als „Menschenverachtungsbibel“ gefeiert worden. Dagegen wirkt Michel Houellebecq fast schon handzahm, sein Werk „Plattform“ sei dem Amateur-Menschenhasser dennoch als Lektüre ans Herz gelegt. Falls Sie auf Urlaub fahren, sollten Sie das „Reisebuch für den Menschenfeind. Die Freuden der Misanthropie“ von Friedrich-Karl Praetorius einpacken.

Und zum Abschluss noch der klassische Satz, an dem Sie einen Misanthropen erkennen: „Wissen Sie schon, wer gestorben ist?“ – „Mir ist jeder recht.“
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.11.2006)

 

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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