Wenn man dem Passfoto ähnelt
29. Juni 2007 Hinterlasse einen Kommentar
Wenn man beginnt, seinem Passfoto ähnlich zu sehen, sollte man in den Urlaub fahren“, sagte Ephraim Kishon. Gute Idee, eigentlich. In der Schulzeit gab es ja noch eine klare Einteilung, wann der Urlaub zu beginnen hatte, nämlich anschließend an die Zeugnisverteilung. Im Arbeitsleben fällt diese euphorisch gefeierte oder eher deprimierende – je nach Leistung – Initialzündung für den Ferienbeginn weg. Und so braucht es eben andere Indikatoren, um zu rechtfertigen, dass man die Kollegen einfach für ein paar Tage oder Wochen im Stich lässt.
Wenn etwa der gemeinschaftliche Kühlschrank im Büro schon riecht wie der Tintenfisch, der damals in Kroatien an den Strand gespült wurde und langsam dahinrottete. Wenn Sie freiwillig in Erwägung ziehen, zu „Singen im Garten“ im Liebhartstaler Bockkeller (19 Uhr) zu gehen. Oder wenn ständig die Frage „Where is my Mind?“ – wie die gleichnamige DJ Line im 7stern (21 Uhr) – vor Ihrem geistigen Auge abläuft. Dann ist es soweit, dann sind Sie urlaubsreif. Nur, wie sagt man es den Kollegen? Nun, Sie können ihnen ja einfach zu verstehen geben, dass auch sie einmal die Chance bekommen sollten, so viel zu arbeiten, wie Sie es sonst tun. Oder Sie argumentieren, dass das von Ihnen gewählte Urlaubsland ohnehin keinerlei Erholungswert bietet und es den Mitarbeitern im klimatisierten Büro viel besser geht. Oder Sie zeigen deutlich auf, wie sehr Sie schon am Sand sind – einfach das Passfoto groß kopieren und über den Arbeitsplatz hängen. Wie auch immer, schöne Ferien.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.06.2007)