The Tell-Tale Hosenbein
15. April 2013 Hinterlasse einen Kommentar
Fürwahr! – reizbar – sehr, gar fürchterlich reizbar waren meine Nerven gewesen und sind es noch. So, wie es Edgar Allen Poe in „The Tell-Tale Heart“ beschrieben hat, wenn er von dem Mann erzählt mit seinem blassblauen Auge mit einem Häutchen darüber – „sooft sein Blick auf mich fiel, stockte mir das Blut in den Adern“. Genau dieses Gefühl stellt sich auch jedes Mal ein, wenn ein Fahrradfahrer nach dem Absteigen darauf verzichtet, sein hochgekrempeltes Hosenbein, das mit einer Wäscheklammer fixiert ist, wieder in die dafür vorgesehene Ruhestellung zu bringen. Ist es nur Vergesslichkeit, die das Hosenbein in dieser Stellung verharren lässt? Ist es Koketterie, um all den in Büros, Hörsälen oder Kaffeehäusern sitzenden Fußgängern und Autofahrern die lange Nase der Coolness des Großstadtradlers zu zeigen? Oder ist es gar ein heimliches Erkennungszeichen eines Geheimbunds, der die Stadt nach und nach in ein riesiges Radstadion zu verwandeln trachtet?
Was immer es ist, es ruft jedes Mal ein Gefühl der Beklemmung hervor. So wie der Blick auf jemanden, der sich ständig an derselben Stelle auf dem Kopf kratzt. Wie das Gegenüber in der U-Bahn, in dessen Nase sich hartnäckig ein Stück eingetrockneten Nasensekrets festgesetzt hat – und das zu pulsieren scheint wie das verräterische Herz des Mannes mit dem Häutchen über dem Auge, den Poes Protagonist gemeuchelt und unter ein paar Holzdielen versteckt hat. Ich schäume, ich tobe, ich fluche! Man sieht hin, erstarrt innerlich, wagt nichts zu sagen. Allmächtiger Gott! Nein, nein! Und man hofft darauf, der Mensch möge das eklige Stück endlich mit einem Handstreich aus seinem Pfrnak entfernen. Und genau so wünscht man, der Radfahrer möge endlich die Kluppe abnehmen und sein rechtes Hosenbein abrollen. Ehe man nämlich irgendwann selbst losstürmt, den sportlichen Großstadtdurchquerer packt und ihm die Hose nach unten zieht. Ihr Schurken! Ich gestehe die Tat! Hier, hier, das grässliche Hosenbein, es nervt!