Per Beckmesser sind wir noch lang nicht
15. Juni 2015 Hinterlasse einen Kommentar
Bittere Erkenntnis: Mit dem Aufzeigen von Fehlern bringt man es nicht zum romantischen Helden.
Man hat es ja wirklich nicht leicht, wenn einem Sprache wichtig ist. So oft, wie „dass“ und „das“ mittlerweile vertauscht, „in dem“ und „indem“ total verkehrt eingesetzt und Kommata völlig willkürlich gesetzt werden, ließe sich aus den aufsteigenden Grausbirnen ein Jahresvorrat an Most keltern (auch wenn etymologisch in Wirklichkeit die als „Krusebeere“ bezeichnete Stachelbeere dahinterstecken dürfte). Allein, niemand mag Klugscheißer. Und so hält man sich mit allzu offensiver Kritik zurück, lässt vor allem in der gesprochenen Sprache das – wirklich unangenehme – Ausbessern sein („Erdoğan wird in Wirklichkeit Erdoan ausgesprochen! Hui wui, schau, wie ich mich auskenne!“). Im schlechtesten Fall schluckt man derartige Lapsus (tatsächlich lautet der Plural nicht Lapsi, wie der Lateiner vermuten könnte – Achtung, U-Deklination –, und schon gar nicht Lapsusse) einfach hinunter. Im besten Fall hat man die Möglichkeit, seinen Frust an anderer Stelle komprimiert abzulassen. In einer Kolumne, vielleicht.
Doch auch da ist man vor Vorwürfen nicht gefeit. Und ehe man es sich versieht, ist man plötzlich zur Figur aus einer Wagner-Oper geworden. Nun, wenn es wenigstens Siegfried wäre. Oder Tannhäuser. Dann hätte man zumindest ein bisschen Spaß. Aber nein, da steht man plötzlich als Sixtus Beckmesser da. Als pedantischer, rechthaberischer und engstirniger Besserwisser, der nichts anderes tut, als sich an kleinen Lapsus (genau, stimmt so) abzuarbeiten, während er vor lauter Kleinigkeiten das große Ganze komplett aus den Augen verliert. Was ja zum Gesamtbild passt, dass man sich in all seiner Beckmesserei nie beckmesserisch vorkommt. Aber wenn man sich erst einmal damit infisziert hat, kommt man nicht mehr davon los. (Für den Fehler im vorigen Satz dürfen Sie mich jetzt übrigens gern korrigieren. Steckt ja auch ein kleiner Beckmesser in Ihnen, hm?)