Das Grmpfgl-Dilemma beim Warten auf die Straßenbahn

Wenn man zu Fuß gleich schnell wäre wie mit dem Warten auf öffentliche Verkehrsmittel.

Der lautmalerische Hmpf-Moment ist jener, bei dem die Anzeige verrät, dass die nächste U-Bahn in genau der Hälfte der Zeit bis zur übernächsten kommt. (Vielleicht hat man sogar noch die roten Lichter im Tunnel verschwinden sehen.) Damit lässt sich kombinieren, dass man die vorige Garnitur gerade verpasst hat. Der etwas weniger aggressive, dafür umso bitterere Wrgstf-Moment wiederum ist jener, in dem der nächste Wagen erst in ferner Zeit eintreffen wird, der übernächste jedoch schon kurz danach. Steigt man in diesem Fall, dem meist eine Störung vorangegangen ist, gleich in den nächsten ein, droht ein Hhhh-Moment (lautmalerisch holt man tief Luft, bevor sich die Türen schließen), in dem man zumindest die Gewissheit hat, in der komprimierten Menschenmenge nicht umfallen zu können.

Bitter ist aber auch das Grmpfgl-Dilemma (in Comics würde sich unter dieser Sprechblase ein Kopf mit traurigem bis ratlosem Blick finden). Das tritt dann ein, wenn die Zeit, die man für eine Strecke zu Fuß brauchte, genauso lang wie die Summe aus Wartezeit und reiner Fahrzeit ist. Das bedeutet also, entweder sehr lang herumzustehen und dann die drei oder vier Stationen bis zum Ziel zu fahren oder die gesamte Strecke zu Fuß zu gehen und kurz vor dem Ende vom öffentlichen Verkehrsmittel überholt zu werden. Was an einem schönen Frühlingstag ja auch seinen Reiz haben kann, nur kommt der Grmpfgl-Moment allzu häufig, wenn es regnet oder windet. In der Regel ist die Strecke nur so kurz, dass ein Taxi inklusive Anruf und Wartezeit genauso lang zum Ziel brauchen würde. Vielleicht gibt es in der Mathematik ja sogar einen eigenen Begriff dafür, wenn sämtliche Optionen am Ende zum gleichen Ergebnis führen, so wie es gerade das Navi am Handy anzeigt. Notiz an mich selbst: Bei Gelegenheit nach „Grmpfgl-Koeffizient“ und „Nobelpreis“ googeln.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.04.2016)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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