Warum wird beim Tennis so komisch gezählt?

15, 30, 40 – ist halt so. Aber das hat einen Grund. Nur was hat Thomas Alva Edison damit zu tun?

Alva ist ein Vorname für beide Geschlechter. Der für Frauen ist im Schwedischen die weibliche Form von Alvar, zusammengesetzt aus dem althochdeutschen „alf“ (Elfe oder Naturgeist) und „heri“ (Kriegsschar). Heißen Männer so, leitet sich der Name vom hebräischen „Alvah“ ab, was etwa „seine Hoheit“ bedeutet. Falls Sie also auf der Suche nach einem Vornamen für den Nachwuchs sind, können Sie in jedem Fall zuschlagen. So wie einst die Eltern von Thomas Alva Edison (zumindest als Zweitname). Sie wissen schon, das ist der Unternehmer, dem die Erfindung der Glühbirne zugeschrieben wurde. (Er hat sie patentiert, erfunden haben sie andere.) Edison soll aber auch ein extrem schlechter Angler gewesen sein. Und, so die Legende, irgendwann fragte ihn ein Freund, ob er das Angeln nicht lieber aufgeben sollte. Edison soll geantwortet haben, dass er ohne Köder angelt, denn dann würden ihn weder die Fische noch die Menschen um ihn herum belästigen – und er könne nachdenken und reflektieren.
Nur manchmal hilft Nachdenken nicht – da muss man nachschlagen. Warum, zum Beispiel, werden die Punkte beim Tennis so komisch gezählt? Nun, eine Erklärung ist die, dass das auf Spielwetten im Frankreich des 14. Jahrhunderts zurückgeht. Da wurde eine Münze gesetzt, die einen Wert von 15 Denier (Pfennige) hatte. So kam es zu Einsätzen von 15, 30, 45 und 60. Angeblich aus Bequemlichkeit bei der Aussprache wurde 45 zu 40. Eine zweite Erklärung bezieht sich auf das mittelalterliche Jeu de Paume, ein Vorläuferspiel des Tennis. Dort bewegte man sich nach jedem gewonnenen Punkt näher zur Mitte des Feldes – von der 0-Zoll-Linie zu den Linien von 15, 30 und 45 Zoll. Da die 45-Zoll-Linie aber zu nahe am Netz war, wurde sie auf 40 Zoll zurückversetzt.
Jetzt ist uns also ein Licht aufgegangen, oder? Nur Thomas Alva Edison kann in diesem Fall nichts dafür.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.05.2018)

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Würden Sie Ihre Kinder Tupu, Hupu & Lupu nennen?

Warum werden Namen in anderen Sprachen so anders ausgesprochen oder völlig verändert?

Das polyglotte Glaubensbekenntnis beinhaltet auch die Klausel, dass man sich bei anderssprachigen Gesprächspartnern anderssprachig vorstellt – nicht nur per Grußformel, sondern auch mit dem Namen. Da wird aus einem Georg schnell ein George, aus einer Susanne eine Susanne (die englisch ausgesprochen natürlich anders klingt, aber ich wollte jetzt nicht mit Lautschrift anfangen), und man selbst macht sich eben zum Eric (der in Israel Arik gerufen wurde). Was umgekehrt auch immer wieder vorkommt, dass man Namen aus anderen Sprachwelten falsch betont oder so falsch ausspricht, dass sich die Bezeichneten davon nicht angesprochen fühlen. Und nein, das passiert nicht nur bei gälischen Namen wie Saoirse (ausgesprochen etwa Sirscha), die zwischen Schreibweise und Aussprache einen besonders großen Unterschied aufweisen.

Immerhin, in der Regel lässt sich die internationale Aussprache eines Namens nachvollziehen. Auch wenn es für die eigenen Ohren komisch klingen mag. Bei literarischen Figuren wird es aber manchmal komplizierter. Nehmen wir etwa Troubadix, den Barden aus den „Asterix“-Heften. Der heißt im französischen Original nämlich Assurancetourix, was von Assurance tous risques kommt – also Vollkaskoversicherung bedeutet. In Großbritannien kennt man ihn als Cacofonix, in den USA als Malacoustix. Tick, Trick & Track, die drei Neffen von Donald Duck, heißen im Englischen Huey, Dewey and Louie. In Frankreich kennt man sie als Riri, Fifi et Loulou, in Italien als Qui, Quo & Qua, in den Niederlanden als Kwik, Kwek en Kwak. Und die Finnen sagen Tupu, Hupu ja Lupu zu ihnen. Im Grunde nicht so schlimm, weil die Namen in der jeweiligen Sprache so wohl einfach besser funktionieren. Aber manchmal kann es doch etwas befremdlich sein. Wussten Sie etwa, dass Batman in Schweden früher Läderlappen genannt wurde?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.05.2018)

Ich und du, Müllers Kuh, Buridans Esel, das bin ich

Wenn wir schon dabei sind: Hatte Schrödinger eigentlich ein Haustier? Ja und nein, vermutlich.

Pawlow’scher Hund – klingelt’s da bei Ihnen? Ihr erster Gedanke ist wohl, dass hier statt eines Genitiv-s eine Adjektivendung an Iwan Petrowitsch Pawlows Namen hängt. Klar, es geht ja nicht um Pawlows Haustier Struppi, sondern um ein Phänomen, das der russische Forscher bei Experimenten mit Hunden entdeckt hat. Sie wissen schon, wenn Futter und Glockenläuten immer gemeinsam auftauchen, speichelt der Hund irgendwann nur mehr beim Hören der Glocke. Aber müsste es dann nicht konsequenterweise Schrödinger’sche Katze heißen? Auch hier war es nicht dem Schrödinger seine Katze, die in einer Kiste mit Gift und einem von zerfallenden Atomen angetriebenen Hammer gleichzeitig lebendig und tot war. Hatte Schrödinger überhaupt ein Haustier? Ja und nein, vermutlich.

„Wenn ich mit meiner Katze spiele – wer weiß, ob ich nicht mehr ihr zum Zeitvertreib diene als sie mir?“, mag sich Schrödinger gefragt haben. Wobei das erstens eine seltsame Art ist, mit Katzen zu spielen. Und es zweitens eigentlich Michel de Montaignes Katze ist. Der Philosoph argumentierte mit diesem Satz, dass jedes Lebewesen eine eigene Wahrnehmung hat.

Montaignes Katze hat übrigens nichts mit Müllers Kuh zu tun, die es weder in Quantenphysik noch Philosophie zu Berühmtheit brachte, sondern nur in einem Auszählreim für Kinder. Neben Müllers Esel – der ja hätte bekannt werden können, hätte er dem Philosophen Johannes Buridan gehört. Nach dem ist nämlich das Gleichnis vom Esel benannt, der zwischen zwei gleich großen, gleich weit entfernten Heuhaufen steht – und verhungert, weil er sich nicht entscheiden kann. Das ist so, als würde man an einem heißen Tag schwanken, ob man ins Strandbad Alte Donau oder zum Gänsehäufel fahren soll – und am Abend draufkommt, dass man stundenlang daheim Kolumne geschrieben hat. Kocinas Esel, in dem Fall.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 30.04.2018)

Danke dir sehr viel! Du bist willkommen!

Nothing for ungood, aber warum muss man Kegel einpacken, wenn man mit Kindern wegfährt?

Nobody can reach me the water, behaupten Kollegen, wenn es darum geht, schlechte Übersetzungen englischer Redewendungen in den Alltagsgebrauch zu integrieren. Manche werden gar foxdevilswild dabei und behaupten, I had not all cups in the cupboard. Nothing for ungood, but Life ist halt einmal no sugarlicking. Bevor Sie jetzt allerdings only trainstation understand, scratch I better the curve, bevor wieder jemand the offended Liversausage spielt. Man will ja niemandem on the cookie go. Und abgesehen davon lässt sich das Spiel auch umgekehrt aufziehen. Sieh dich später, Alligator, zum Beispiel. Danke dir sehr viel! Du bist willkommen! Das schmerzverzerrte Gesicht der Kollegen ist es wert. Oder ist das nicht ihre Tasse Tee?

Manchmal scheitert es aber schon daran, dass man bei Redewendungen in der eigenen Sprache gar nicht weiß, warum man sie so verwendet und woher sie kommen. Mit Kind und Kegel, zum Beispiel. Oder wissen Sie, warum man einen in einer Spitze auslaufenden geometrischen Körper mit einer Kreisscheibe als Basis gemeinsam mit dem Spross zum Aufbruch einpacken soll? Nun, um wieder in den Erklärbärmodus zu kommen, das kommt von einer weiteren Bedeutung, die Kegel früher hatte – nämlich als Bezeichnung für ein uneheliches Kind. Woher dieser Begriff kommt, ist nicht ganz klar – möglicherweise vom mittelhochdeutschen Kegel als Knüppel oder Stock, das ähnlich wie Bengel (Stock, Prügel) geringschätzig für ein Kind eingesetzt wurde. Übrigens ist die englische Entsprechung von Kind und Kegel nicht with kid and cone (höhö), sondern with kith and kin (echt jetzt!). Wobei kith für Freund oder Bekannter steht, während kin im weitesten Sinn die Familie bezeichnet. Statt Kind und Kegel packt man dann halt Freunde und Familie zusammen. Again what learned, hm? That makes me nobody so fast after.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.04.2018)

Auf „Wie geht’s?“ nicht immer „Danke, gut“ sagen

Wenn Dialoge nur noch Reflexe sind, kann es langweilig werden. Peppen wir unsere Gespräche auf!

Jedes Mal, wenn ein Mensch „Ich auch“ sagt, explodiert in der Antarktis ein Babypinguin. So wie auch das reflexhafte „Ich dich auch“ auf „Ich liebe dich“ irgendwo auf der Welt einen süßen Goldhamster bei vollem Tempo aus dem Laufrad springen und ihn sich mehrfach überschlagen lässt. Wollen wir das wirklich, dass sich sprachsensible Tiere derart über unsere Unkreativität grämen müssen? Dann etwa, wenn wir die uninteressierteste Frage, die sich als Interesse tarnt und doch nur eine Floskel ist, beantworten müssen. „Wie geht’s?“ lässt nämlich in Wirklichkeit nur eine einzige Antwort zu. Ob das „Danke, gut“ nun ernst gemeint ist oder nicht. Dabei gäbe es doch so viele Alternativen. „Alles paletti“ könnte man fröhlich entgegenschmettern, mit „Ist mir wurscht“ den sich anbahnenden Dialog von vornherein abblocken, mit „Passt schon“ zumindest die 08/15-Variante vermeiden, mit „Schauma mal“ die sprachliche Unverbindlichkeit ein bisschen bayerisch einfärben, mit „Na ja“ die Möglichkeit des Negativen zumindest zulassen, mit „Woher soll ich das wissen?“ das Gegenüber ein wenig verschrecken, mit „Pffff“ (kombiniert mit einem Schulterzucken) zu verstehen geben, dass alles ein bisschen dings ist, mit „Wie die anderen wollen“ die Schuld auf, nun ja, die anderen schieben, mit „Jo eh“ etwas ähnlich Unsinniges sagen, mit „Bescheiden“ so vornehm sein, nicht „Beschissen“ sagen zu müssen, mit „Das geht dich überhaupt nichts an“ das Gegenüber ein bisschen brüskieren, mit „Frag lieber nicht“ dazu ermuntern, genauer nachzufragen, mit „Interessiert dich das wirklich?“ zum Erzählen der Lebensgeschichte ansetzen, mit „Keine Ahnung“ ein bisschen ratlos sein dürfen und mit „Frag mich in einer Stunde wieder“ feststellen, dass dieser Satz jetzt schon ziemlich lang läuft, ohne endlich zum Punkt zu kommen. Aber danke der Nachfrage. Und Ihnen?

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 16.04.2018)

Eine lange Nacht und eine kurze Nacht sind das Gleiche

Vermutlich ist Ihnen das schon einmal aufgefallen: Statt „da vorn“ kann man auch „da hinten“ sagen.

Der ausgestreckte Arm ist das Erkennungszeichen des menschlichen Wegweisers. Wie eine Kompassnadel zeigt er dann in die Richtung, wo etwas ist. Aber dann wird es kompliziert. Denn ist das, was irgendwo ein paar Hundert Meter entfernt ist, „da vorn“ oder „da hinten“? Vermutlich geht beides: die Variante, dass etwas aus unserer Sicht vorn ist, oder die, dass es aus Sicht einer Straße oder eines Ganges eben hinten sein muss. Den gleichen Effekt kennen wir, wenn jemand mit müden Augen in die Arbeit kommt. Dann hatte die Person entweder eine lange Nacht oder auch eine kurze Nacht. Die Botschaft dahinter ist aber dieselbe: Man hatte zu wenig Schlaf.

Zuletzt tauchten im Internet auch „Memes“ auf, die sich des Wortes „umfahren“ annehmen. Dass das Wort im Deutschen nämlich sowohl bedeuten kann, einem Hindernis auszuweichen, als auch, über ein Hindernis drüberzufahren. Unangenehme Sache, das. Aber wenn wir schon dabei sind, lernen wir doch gleich etwas daraus. Dass es sich hier nämlich um ein Januswort handelt. Sie wissen schon, Janus, der römische Gott des Anfangs und des Endes, der gern als Doppelgesicht dargestellt wird. Ein Januswort ist also ein Wort mit mindestens zwei Bedeutungen, wobei die eine Bedeutung das Gegenteil der anderen ist. Sind Sie noch da? Also, gemeint ist, dass etwa anhalten sowohl bedeuten kann, dass etwas andauert, aber auch, dass etwas zum Stillstand gebracht wird. Dass transparent sowohl durchsichtig als auch unsichtbar meinen kann. Und dass verabschieden dafür stehen kann, etwas zu beschließen (ein Gesetz, zum Beispiel), aber auch dafür, etwas zu verwerfen (einen Gedanken, zum Beispiel). Ganz schön viel theoretischer Stoff für so eine Kolumne, oder? Ich weiß, aber Sie müssen verstehen, ich hatte gestern eine lange Nacht. Also eine kurze. Egal, Sie wissen schon.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.04.2018)

Es gibt noch so viel zu sagen, dem ist nichts hinzuzufügen

„Punkt“ am Ende macht einen Satz nicht richtiger, „Ich sage ganz klar“ muss keine Klarheit bringen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Stimmt nur nicht. Denn irgendetwas geht immer. Sogar bei Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch – Sie wissen schon, das ist diese walisische Gemeinde, die für den längsten amtlichen Ortsnamen Europas oder so im „Guinness-Buch der Rekorde“ steht – könnte man noch etwas hinzufügen, wenn man das wollte. Und bei apodiktischen Aussagen am Ende einer Argumentation sowieso. Es gibt nämlich noch viel zu sagen. Dass Phrasen wie diese vor allem dazu dienen, keine weiteren Argumente mehr zuzulassen, zum Beispiel. Dass „Roma locuta, causa finita“ argumentativ ähnlich schwach ist wie „Weil ich das sage“ auf das kindliche „Warum?“. Dass „Basta“ eine Debatte abwürgt, nur weil man keine Lust mehr auf weitere Argumente hat. Und dass „Punkt“ einen Satz nicht richtiger macht, nur weil man am Ende noch ein Satzzeichen als sprachlichen Donnerschlag setzt. Aber auch, dass „Ich sage ganz klar“ am Anfang keine Garantie dafür ist, dass danach wirklich etwas Klares kommt.

Der schöne Begriff „Wischiwaschi“ wurde übrigens in Anlehnung an das „Gewäsch“ gebildet, das einst für die mindere Qualität der Unterhaltung beim Waschen der Schmutzwäsche stand, als das noch kollektiv und ohne Maschine gemacht wurde. Wohingegen Larifari von den Tönen a, d und f kommt, die zusammen den d-moll-Dreiklang bilden. Nur dass diese Noten im Italienischen la, re und fa genannt werden. Do, re, mi, fa, sol, la, si, do – Sound of Music, Sie wissen schon. Der Begriff hinter dem Verfahren, die Tonstufen eines Gesangs auf bestimmte Silben zu singen, um ihren Ort im Tonsystem zu erkennen, nennt sich übrigens Solmisation. Worauf man nicht alles stößt, nachdem man schon dachte, dass nichts mehr hinzuzufügen sei, oder? Dem können Sie jetzt gern etwas hinzufügen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.03.2018)

Die Menschen da draußen zu sein, ist im Frühling besser

Der kleine Mann von der Straße muss noch fleißig auf eine bessere Witterung hoffen.

Darf man sich eigentlich mit 1,70 Metern als der kleine Mann auf der Straße angesprochen fühlen? Zumindest habe ich mich zuletzt so gefühlt, als der große Mann von der Straße, der in der politischen Kommunikation gar keine Rolle spielt, sich im Kino genau vor mich hingesetzt hat. Gut, das war halt auch nicht auf der Straße, da darf man also kein Eingreifen der ordnenden Hand erwarten. Denn der kleine Mann im Kino ist als Adressat für politische Botschaften vielleicht doch ein bisschen zu selektiv. Weitgehend aus dem Sprachschatz verschwunden ist übrigens der Dreikäsehoch, der als Synonym für den kleinen Mann von der Straße aber ohnehin nicht so recht passt – denn frech oder aufmüpfig, wie es in der Größenangabe für Kinder mitschwingt, ist der kleine Mann eher nicht. Der ist dafür fleißig. Wobei fleißig in der Alltagssprache auch eher selten zu hören ist. Eigentlich nur bei Bienen, bei Kindern und in der politischen Kommunikation. Was aber gut zum kleinen Mann – von der kleinen Frau hört man übrigens selten, dafür vom Sammelbegriff der kleinen Leute – passt, den die großen Leute (nein, nicht die im Kino!) halt ein bisschen an der Hand nehmen müssen.

Wobei es auch Variationen gibt. Die Menschen da draußen, zum Beispiel. Also die, die momentan offenbar vor lauter Vorfreude auf den Frühlingsbeginn mit viel zu luftiger Kleidung im Schnee stehen. Mensch da draußen zu sein, macht ja eher bei schönem Wetter Spaß. Wo man dann die Menschen da drinnen, die von den Menschen da draußen sprechen, fast ein bisschen bemitleiden kann. Das wird heuer übrigens genau am Dienstag, 20. März um 17.15 Uhr passieren. Da ist der astronomische Frühlingsbeginn. Und Sie können genau in diesem Moment den Mantel ablegen, die Mütze wegwerfen und auf ein Eis gehen. Wenn sich der große Mann von der Straße nicht wieder vordrängt.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.03.2018)

Mit Floppy Disks urassen und andere alte Wörter

Jüngere Leser werden sich fragen, warum hier schon wieder so ein Nostalgiedings läuft.

Das Geschäft mit Diskettenlochern hat in den vergangenen Jahren ein wenig geschwächelt. „Diskettenlocher?“, werden jüngere Leser jetzt fragen. Nun, das ist eine Apparatur, mit der man eine 5 1/4-Zoll-Diskette stanzt, um sie beidseitig verwenden zu können. Dass Floppy Disks noch immer im Einsatz sind, hat zuletzt die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gezeigt, bei der acht Stück davon beschlagnahmt wurden. „Floppy Disk?“, werden jüngere Leser jetzt fragen – nun, das war das gebräuchlichste Speichermedium, das nach der Datasette sehr populär war. „Datasette?“, werden jüngere Leser jetzt fragen – nun, das war das Bandlaufwerk, mit dem man Computerdaten auf kompakten Audiokassetten speichern konnte. „Audiokassette?“, werden jüngere Leser jetzt fragen – nun, das war so wie Spotify, nur auf Magnetband in Kunststoffgehäuse und mit weniger Titeln drauf. Und nach einem Bandsalat konnte man mit einem Bleistift den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. „Bleistift?“, werden jüngere Leser jetzt… Einen Bandsalat gab es jedenfalls dann, wenn ein Magnetband sich im Kassettenspieler verwickelte – seit 2006 steht das Wort übrigens auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Wörter.

Auch nur mehr selten zu hören ist ein anderes schönes Wort, das mit Technik aber nur bedingt zu tun hat: urassen. Es steht dafür, mit etwas verschwenderisch umzugehen. Etymologisch kommt es wohl vom Urass, mit dem einst übrig gelassene oder verschmähte Speisen bezeichnet wurden. Bei Datenträgern hätte man es vielleicht anbringen können, wenn man eine Diskette nur halb voll gemacht und dann die nächste begonnen hat. Aber das ist ohnehin nur mehr Nostalgiedings. Oder hat jemand von Ihnen noch Disketten daheim? Das hat ja jetzt offenbar nicht einmal mehr das BVT.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.03.2018)

Eine Jean ist keine Jeans, und Reißverschlüsse reißen nicht

Es ist widersinnig, eine einzelne Hose mit Plural-s zu versehen. Man sagt ja auch nicht ein Pullovers.

Ich weigere mich, zu einer Hose Jeans zu sagen. Das Plural-s ist widersinnig, und nur weil die englische Logik ein einzelnes Kleidungsstück als Plural ausgibt, muss man da ja nicht mitmachen. Man trägt schließlich auch nicht einen Pullovers, nur weil er zwei Ärmel hat. Auch der Begriff Reißverschluss führt in die Irre. Schließlich steht Reißen für gewaltsames oder zumindest sehr ruckhaftes Ziehen – was den Verschluss mittelfristig kaputt macht. Umgekehrt muss man bei einer Knopfleiste an der Hose sehr wohl ruckartig reißen, um die Knöpfe aus ihren Löchern zu holen. Was zum Dilemma führen kann, dass man beim Umstellen von Knopf- auf Reißverschluss heftig am Hosenbund reißt und damit – reißerisch gesprochen – den Reißverschluss aus dem Hosenlatz reißt. Umgekehrt hat bei diesem Umstieg aber auch das Schließen der Hose seine Tücken. Nach jahrzehntelanger Übung mit der Levi’s 501 weiß man, dass, wenn beim Zuknöpfen der oberste Knopf der Knopfleiste geschlossen wird, die Hose zu ist. Schließt man nach dem Toilettengang den obersten Knopf einer Hose mit Reißverschluss, macht das Gehirn das gewohnte Abschlusshakerl – und die Hosentür bleibt offen, bis man irgendwann zufällig die Zugluft bemerkt.

Dass das durchgehende Schieben des Schiebers, mit dem die Krampen des Verschlusses ineinandergehakt werden, zum Begriff Reißverschluss geführt hat, ist jedenfalls unlogisch. Aber vermutlich sagen Sie ohnehin Zippverschluss. Das ist übrigens onomatopoetisch, also lautmalerisch. Wenn es beim Schließen der Hose ein schrilles Geräusch gibt, als würde ein Objekt durch die Luft fliegen, darf man also annehmen, dass man keine Knopfleiste hat, sondern einen Zipp. Und auch keinen Zipps, auch wenn das Leute, die zu einer Jean Jeans sagen, vermutlich logisch finden würden.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.03.2018)