Rettet den Filterkaffee

Es gab einmal eine Zeit, da war die Kaffeezubereitung noch ein bewusster Akt. Wasser in den Tank, Filter in die Maschine, Kaffee in den Filter, Wasser heiß machen und über den Kaffee rinnen lassen. Das gibt es heute kaum mehr. Nein, längst haben die Maschinen das Kommando übernommen. Der Kaffee kommt bei den hochgezüchteten Espresso-Leviathanen auf Knopfdruck, aus dem feinsinnigen Ritual (vergleichbar mit dem Befüllen einer Wasserpfeife) ist ein technisierter Akt der Gewohnheit (vergleichbar mit dem Rauchen einer Zigarette) geworden. Und zu allem Überfluss terrorisieren uns diese Espressoautomaten auch noch mit Befehlen, was wir zu tun haben – untermalt von piepsenden Warnungen (oder warnenden Piepsen).

„Wasser nachfüllen“ piepst es da, danach „Kaffee nachfüllen“ und „Entkalken“ pfeift es hinterher. Der genervte Nutzer sehnt in solchen Momenten nur noch die Befehlskette „Maschine hochheben – Fenster öffnen – Espressomaschine winke winke“ herbei. Auf diese Art ein Problem elegant beseitigt, kann man sich dann ja der Entspannung hingeben. Etwa bei der Führung „Vom Hawelka zum Demel“ (Tourismusinformation Albertinaplatz, 1010 Wien, 14 Uhr) oder bei der Ausstellung „Kapuziner, Einspänner, Schalerl Gold. Zur Geschichte der Wiener Kaffeehäuser“ im Stadt- und Landesarchiv (Guglg. 4, 1110 Wien). Und am Abend widmen wir uns gemütlich der thermischen Extraktion und Filtration gemahlener Kaffeebohnen – ganz ohne Fiepsen. Rettet den Filterkaffee!

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.12.2006)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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