„Erzähl mir was!“ „Sicher nicht“

Wenn sich in zwischenmenschlichen Beziehungen ein Gefühl der Bequemlichkeit breit macht, ist Alarm angesagt. Dann nämlich, wenn Kommunikation von einer Seite nur mehr als Berieselung verlangt wird. „Erzähl mir was!“, ist so eine Phrase, die einer Fernbedienung gleich verwendet wird. Und der kommunikative Gegenpol hat gefälligst die Rolle des Fernsehers zu übernehmen, der sogleich das Unterhaltungsprogramm startet. Diese Form unidirektionaler Einwegkommunikation signalisiert vor allem eines: Desinteresse. Im Kindesalter mag es ja noch legitim sein, voller Begeisterung wahllos im Erfahrungsschatz Älterer zu wühlen, doch unter Erwachsenen sollte doch ein gewisses Mindestmaß an Empathie vorausgesetzt werden können. Was ist so schwer daran, durch eine präzisere Fragestellung zu signalisieren, dass man an bestimmten Aspekten oder Neuigkeiten interessiert ist? Selbst unverbindliche Phrasen wie „Was macht die Arbeit?“ haben mehr Niveau als diese absolute Beliebigkeit.

Hohle Phrasen wie diese, aber auch klassische Dialogbausteine für Weihnachten, Krankheit und Wetter hat Michael Hufnagl in seinem Buch „Die sagenhafte Wortlawine“ (Pichler-Verlag) versammelt. Daneben präsentiert er auch misslungene Versuche sprachlicher Originalität – zum Bleistift – und stellt auch die Meister der Unverbindlichkeit an den Pranger: Politiker und ihre Phrasen, mit denen sie unangenehmen Fragen ausweichen wollen. Aber darauf kommen wir später noch zu sprechen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.03.2007)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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