Kampf den „nur ganz kurz“-Sagern
18. Juni 2007 Hinterlasse einen Kommentar
Dass die Summe der einzelnen Teile mitunter völlig anders aussieht, als das der Einzelfall vermuten lässt, mag für einige Zeitgenossen überraschend sein. Oder das eigene Tun wird ohne Rücksicht auf die Konsequenzen einfach als Akt egoistischer Selbstbehauptung ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen. Zu abstrakt? Nun, sehen wir uns einen Einzelfall an: Bittet ein Kollege, sich einer Sache anzunehmen – „nur ganz kurz“ natürlich -, mag das aus seiner Sicht tatsächlich eine Kleinigkeit sein. Dass sein Gegenüber aber schon mehrere Kleinigkeiten abarbeitet, die für sich betrachtet „nur ganz kurz“ dauern, in Summe aber eine ganze Arbeitskraft beschäftigen und von Größerem abhalten, wird nicht registriert. Es ist fast so, als würde man Neil Shicoff während der Vorstellung von Werther (Staatsoper, 19.30 Uhr) bitten, mal eben einen kleinen Essay über die Staatsoperndirektion zu schreiben – auf der Bühne, natürlich.
Zum Feindbild werden auch jene Kunden in einem, sagen wir, Baumarkt, die sich mit der Bitte um Auskunft „nur ganz kurz“ an den Berater wenden, mit dem man nach langem Warten endlich gerade den ersten Satz wechseln wollte – und der daraufhin für eine weitere gefühlte halbe Stunde im Dickicht der Regale verschwindet. Sehen wir es ein, Aussagen wie „nur ganz kurz“ oder „ist eh schnell erledigt“ sind rhetorische Quälgeister, die nur einem Zweck dienen, nämlich sich selbst die Legitimation zum Vordrängen zu erteilen. Ein Ausweg, diese unangenehmen Zeitgenossen abzustellen ist: Einfach „Nein“ sagen.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.06.2007)