Der olfaktorische Spartacus-Effekt
9. August 2007 Hinterlasse einen Kommentar
Es ist eine jener Szenen, die als Basis für zahllose Sketches, Witze und Anekdoten herhalten muss: In der Straßenbahn, im engen Büro, am besten gleich im vollen Lift, bahnt sich eine Flatulenz ihren Weg. Die Reaktion des Schuldbewussten reicht dabei, je nach literarischer oder musikalischer Vorlage, von Erröten und Verschweigen über Nasenrümpfen und suchende Blicke in die Runde bis zur ablenkenden Offensive gegen einen Schuldlosen.
Eine weitere Variante wurde bislang allerdings kaum ins Spiel gebracht: Der Übeltäter gibt sich durch ein deutliches Handzeichen zu erkennen und ruft laut „Ich war es!“. Wie würde die Umwelt darauf wohl reagieren? Verschämt den Blick zu Boden senken? Lautstark applaudieren und den seiner Last Entledigten auf den Schultern tragen? Die vermutlich schönste Variante wäre wohl die, dass die Umstehenden nach und nach ebenfalls die Hand gen Himmel recken und rufen: „Nein, ich war es!“. Dieses kollektive Schuldbekenntnis wäre ein Zeichen von Solidarität, des Mitleidens mit dem Geplagten in all seinen Konsequenzen.
Filmfreunde haben darin längst den „Spartacus-Effekt“ entdeckt. Ein Effekt, den man sich auch in so manch anderer Situation wünschen würde. Stellen wir uns vor, der neue Eingangsbereich des Praters ist fertig und die Planer, Vertreter aus dem Rathaus und vom Praterverband stehen mit hochroten Köpfen vor dem Kitsch-Ensemble. Dann heben sie nach und nach die Hände und beginnen kleinlaut zu bekennen. Ganz genau, wir brauchen mehr Spartacusse.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.08.2007)