Wien darf nicht Walhalla werden

Der Österreicher kommt zu seiner Identität ja vor allem über die Abgrenzung nach außen. Klar, es ist ja auch viel leichter, zu sagen, was man nicht ist oder will, als ein positives Bild von sich selbst zu zeichnen. Dementsprechend leicht ist es auch, (nicht nur) politische Forderungen mit einem Slogan zu verbinden, wie etwas nicht werden darf. „Wien darf nicht Istanbul werden“, zum Beispiel. Auch Chicago wurde einst schon mitgeteilt, dass man nicht die nordamerikanische Metropole zu werden gedenke.

Umso spannender ist es dann, einmal zu sagen, wie Österreich, oder speziell Wien, denn stattdessen sein oder werden soll. „Wien muss Montmartre werden“ wäre da eine gute Möglichkeit, die sich von heute, Freitag, bis Sonntag im Türkenschanzpark ergibt. Drei Tage lang stehen bei „Kunst im Park“ (www.montmartre.at) 300 Künstler bei freiem Eintritt auf der Bühne. „Wien muss Asien werden“ können sich Filmfreunde noch heute am letzten Tag des Filmfestivals „Asian New Wave“ (www.topkino.at) im Top- und im Schikaneder-Kino denken.

Diese so häufig gebrauchte Redewendung ist übrigens nicht zwangsläufig ortsgebunden. „Wikipedia darf nicht zum parteipolitischen Schlachtfeld werden“, ließ etwa gestern Grünpolitikerin Marie Ringler in einer Aussendung wissen. Ganz genau, und unsere Sprache darf nicht zum „darf nicht“-Friedhof werden. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Wien nicht Walhalla werden darf.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.08.2007)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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