Wenigstens kein Spießer

Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen, heißt es im Werbespot einer Bank. Genau, auf einem Podium vor Menschen zu sprechen wäre hier der große, sich davor die Krawatte zu binden, der kleine Kraftakt. Interessant, dass jene Bank diesen Moment vor dem Spiegel noch nicht in ihre Werbelinie aufgenommen hat. Eine andere Bank wiederum wirbt damit, dass die Ärmel aufgekrempelt werden. Nun, das geht bekanntlich noch etwas leichter von der Hand als das Hantieren mit dem Kulturstrick – was das heißt, ist aber nicht so klar. Immerhin lernen wir, dass es im Bankgewerbe nicht üblich ist, einfach im T-Shirt in die Arbeit zu marschieren.

So mancher Sakkoträger, der gerade emotionslos ein paar Euro-Scheine durch die Zählmaschine wandern lässt, denkt in solchen Momenten wohl voller Wehmut an früher zurück. Als er in zerrissenen Jeans, einem T-Shirt mit Totenkopf und mit Nietenarmband bei einem Konzert die damals noch langen Haare im Rhythmus herumkreisen ließ. Iced Earth und Annihilator waren zwei der Bands, denen man damals zujubelte. Die Magie von damals wird heute wohl nicht aufkommen, wenn eben diese Bands im Planet Music den Heavy Metal vergangener Tage wieder einmal aufwärmen. Von der musikalischen Originalität einmal abgesehen, sieht es einfach seltsam aus, wenn ältere Herren, deren Matte längst ergraut ist, so tun, als ob die Neunziger noch nicht vorbei wären. Andererseits, wenigstens sind sie keine Spießer geworden. Auch ein kleiner Erfolg. Und was wären die großen. . .

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.10.2007)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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