Weihnachtliche Torschlusspanik

Die weihnachtliche Torschlusspanik hat mittlerweile eine reale Grundlage erreicht. Allzu viel Zeit bleibt nun wirklich nicht mehr. Im Gedränge auf den Einkaufsstraßen ist nun vor allem Effizienz gefragt, denn wer beim gemütlichen Herumstöbern noch auf eine plötzliche Eingebung hofft, geht maximal als weltfremder Idealist durch. Letztlich bleibt die sichere Seite – karierte Socken, bunte Krawatten, bestickte Taschentücher und dergleichen – oder die Abkehr von materiellen Geschenken. Erlebnisse, Events & Co machen sich nämlich gar nicht so schlecht unter dem Weihnachtsbaum.

Schenken Sie zum Beispiel Genitive, die sind ja mittlerweile Mangelware – eigentlich hört man sie hierzulande nur noch in Durchsagen der Wiener Linien (Wegen eines schadhaften Zuges . . .). Für Jungverliebte würde sich eine Reise in die Stadt der Liebe anbieten – Zugtickets nach Bruck an d’amour kosten ja auch nicht die Welt. Beliebt sind seit Neuestem „ethische“ Weihnachtsgeschenke, also Bestätigungen, dass man für ein soziales Projekt gespendet hat. Für fanatische Gegner der Schengen-Grenzöffnung könnte man da ja ein paar Euro für die Arterhaltung der vom Aussterben bedrohten Schlagbäume investieren. Für ein bisschen Schenkelklopfen überreicht man zu Geschenken wie diesen auch gleich eine Glühbirne – fragt der Beschenkte dann, was das nun sein soll, kommt die Antwort: „Die ist ähnlich leicht aus der Fassung zu bringen.“ Obwohl, so schlecht sind karierte Socken dann auch wieder nicht.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 22.12.2007)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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