Die geheimen Toiletten der Stadt

An Bedürfnissen kann man auch konsequent vorbeiproduzieren. Da gibt es esoterische Stadtführer über Kraftorte, mystische Stätten und dergleichen, doch im Notfall fängt man mit Keltengrab oder Kapuzinergruft wenig an. Schon eher nach banaleren aber unentbehrlichen Requisiten der Großstadt. Zwar gibt es einen herrlichen Band diesen Namens über Wiens öffentliche Toiletten (Peter Payer, Löcker Verlag), doch ist man bei der Suche nach jenen geneigt, den darin beleuchteten historischen Aspekt nicht so wichtig zu nehmen, muss doch erst die unterste Stufe der maslowschen Bedürfnispyramide abgearbeitet werden. Abhilfe schafft ein Toiletten-Stadtplan, den der Pharma-Konzern Pfizer für Wien (auch für Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck – www.pfizer.co.at/online/page.php?P=771) herausgegeben hat.

Der Variante, in Lokalen ohne Konsumation den Weg zur Toilette zu beschreiten, wird zunehmend ein Riegel vorgeschoben. Bei Haas & Haas am Stephansplatz bekommen Kunden längst einen Zahlencode, mit dem sich die Tür öffnen lässt. Und die McDonald’s-Filiale auf der Mariahilfer Straße vergibt an zahlende Kunden Klo-Gutscheine. Schwierigkeit: Schon beim Bestellen muss man das wissen – der unbestechliche Klomann im Keller lässt sich mit „Aber ich habe schon gegessen“ nicht abspeisen. Daher die Aufforderung an Jungautoren: Wir brauchen einen „Secret Toilet Guide“, in dem jene versteckten Plätze verzeichnet sind, die schnell Abhilfe bieten. Wird sicher ein Bestseller. Und deckt echte Bedürfnisse.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.01.2008)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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