Nicht einmal in Ruhe essen . . .
14. Januar 2008 Hinterlasse einen Kommentar
An Fotos von sich selbst findet der Betrachter üblicherweise ohnehin kaum etwas Gutes. Besonders schlimm wird es allerdings erst dann, wenn die abgebildete Situation so richtig unvorteilhaft ist. Politiker, im Umgang mit Medien geschult, vermeiden daher weitgehend gefährliche Situationen – man fasst sich nicht an die Nase, kratzt nicht am Hintern oder blickt allzu konzentriert ins angeschneuzte Taschentuch, um nicht dem schon lauernden Fotografen ein allzu gutes Motiv zu liefern. Weniger gut Geschulten – vornehmlich Privatpersonen – begegnet man zum Gaudium des Betrachters (und des Fotografen) dagegen laufend in digitalen wie analogen Fotoalben, schließlich zeichnen sich nicht nur Pressefotografen durch eine gewisse Bösartigkeit aus.
Die beste Gelegenheit, jemanden besonders unvorteilhaft darzustellen, findet der Hobby-Paparazzo bei den alltäglichsten Verrichtungen, etwa beim Essen. So sollte Rucola aus Prinzip erst dann bestellt werden, wenn die gesamte Tischgesellschaft ihre Kameras in sicherer Entfernung deponiert hat. Und auch der Biss in den Big Mac bietet keinen allzu würdevollen Anblick – die Anwesenheit sogenannter Freunde, die in jenem Moment auf den Auslöser drücken würden, endet garantiert mit einem Meuchelfoto. In so mancher gastronomischen Einheit böte sich daher an, statt einer rauchfreien eine fotofreie Zone einzurichten. Denn wie kommen Nichtfotografen dazu, von Uneinsichtigen durch Passiv-Fototerror belästigt zu werden. Und das auch noch während der Fütterung.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.01.2008)