Stoppt die Kleingeldflut

Wie ein Virus breitet es sich im Lauf des Tages aus – Kleingeld. Verlässt man morgens die Wohnung noch mit einer flachen Geldbörse, wird sie, obwohl der monetäre Wert ständig sinkt, doch immer dicker. Das beginnt schon beim Frühstück. Für das Standardmenü (Jausenkornspitz und großer Kakao) wandert beim Ströck ein Zehn-Euro-Schein über den Tresen – das Retourgeld von 6,73 Euro kommt natürlich ausschließlich in Münzen. Klar, die Idee, sechs Euro in einen Fünfer und eine Ein-Euro-Münze zu teilen, ist ja ziemlich abwegig.

Zu Mittag führt der Weg in den Supermarkt. Nach ein paar schnellen Griffen ins Regal kann man sich an der Kasse fast schon sicher sein, dass der Betrag bei ziemlich genau 6,74 Euro liegt. Und schon wieder wird ein Zehner gezückt, und drei einzelne Euros und ein paar Cent dehnen die Geldtasche noch weiter. All jene, die sie in der Gesäßtasche der Hose aufbewahren, wirken spätestens jetzt etwas deformiert.

Natürlich, das kann mit Geldscheinen auch passieren – wenn man etwa in Usbekistan 50 Euro in die lokale Währung wechselt. Denn die rund 62.000 Sum werden in handlichen Päckchen ausgegeben, für deren Verwahrung zumindest eine größere Herrenhandtasche notwendig wäre. Abgesehen davon, dass Herrenhandtaschen an sich zweifelhaft sind, lernt man, mit den abgegriffenen Geldbündeln zu leben.

Und auch in Österreich lernt man, mit der Münzenflut umzugehen. Für den Abbau investiert man am Nachmittag eben eine Euro-Münze für einen Eistee aus dem Automaten. Gegen Abend geht man dann noch auf ein Getränk, etwa ins Luftbad (6, Luftbadg.), wo heute die Jazzband Velvet Ottakring auftritt – mit immer noch 9,01 Euro in Münzen in der Tasche. Und betet, dass der Eintritt nicht 10 Euro kostet.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.01.2008)

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Über Erich Kocina
Erich Kocina, Redakteur der Tageszeitung "Die Presse"

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