Weihnachtsmann ist überbewertet

Wie beliebig Feiertage mittlerweile gehandhabt werden, erkennt man unter anderem daran, dass mehrere Tage nach Nikolaus im Fernsehen Werbespots für violette Nikoläuse ausgestrahlt werden. Früher wurden sie spätestens am Abend des 6.12. aus den Regalen der Supermärkte geräumt und vor der Kassa zum halben Preis angeboten. Doch die ideologisch wenig sattelfesten Konsumenten haben den Unterschied zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann längst nicht mehr intus – historisch betrachtet ist es ohnehin die gleiche Person. Immerhin wurde Santa Claus nach dem Vorbild des Nikolaus kreiert. Übrigens nicht von Coca Cola, wie gerne kolportiert wird. Verantwortlich für diese Figur war Thomas Nast, ein deutscher Einwanderer, der 1862 die Figur schuf, um den Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg Trost zu spenden. Lediglich das standardisierte weiß-rote Erscheinungsbild mit Bauch, Bart und Backen geht auf den Limonadenkonzern zurück.

Nach dem 24. Dezember ist der Spuk aber ohnehin vorbei. Dann begegnet man wieder dem Ganzjahresweihnachtsmann. So nennt Wiglaf Droste in der wunderbaren Weihnachtskritik „Weihnachten“ (DuMont-Verlag) den Dalai Lama. Unterschiede zu Santa sieht der deutsche Autor gerade einmal in der Farbgebung – rot-gelb statt rot-weiß. Und statt „Hohoho“ bekomme man eben Weisheiten à la „Wenn man das Licht ausmacht, ist es dunkel“ zu hören. Aber Botschaften wie diese dürften ja heute auf Gehör stoßen. Womit wir wieder bei der Beliebigkeit wären.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.12.2007)

Hundekot unterm Weihnachtsbaum

Eine gewisse Kreativität kann man dem Wiener Rathaus nicht absprechen. Nachdem sämtliche Initiativen, den Hundekot von der Straße zu bekommen, von wenig Erfolg gekrönt waren, beschreitet Umweltstadträtin Ulli Sima einen neuen Weg: Hundekot als Weihnachtsgeschenk. Wie sonst ist die Aktion „Nimm ein Sackerl für dein Packerl“ zu verstehen, die seit kurzem propagiert wird. Sehr konsequent, wurden doch beim ersten Teil („Nimm ein Sackerl für mein Gackerl“) weniger die Hundstrümmerl selbst, sondern die putzigen Aufsteller in Hundeform Opfer menschlicher Sammelwut. Dass einem roten Sackerl mit aufgedrucktem Engel das gleiche Schicksal blühen könnte, ist unwahrscheinlich. Schließlich erfüllt ein Sackerl ohne Inhalt nicht im geringsten seine Daseinsberechtigung. „Der hübsche rote Sack ist ein aktiver Beitrag zur Abfallvermeidung“, so Sima.

Wir warten also schon darauf, dass statt der Hundekotsäckchen aus Plastik die roten Stoffsäcke in die 315 Automaten der Stadt gefüllt werden. Aber leider, so konsequent ist die Kampagne doch nicht. Denn Hundebesitzer müssen erst zum Wiener Christkindlmarkt, um am „natürlich Wien“-Stand eines der Sackerl in drei verschiedenen Größen erstehen zu können. Ab einer Spende von 3 Euro ist man dabei. Ein bisschen viel, um den Auswurf von Bello & Co abtransportieren zu können? Natürlich nicht. Denn, so Ulli Sima stolz: „Der Stoffsack kann über viele Jahre immer wieder verwendet werden.“ Ganz genau, und außerdem kann man damit ja auch andere Geschenke verpacken.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 30.11.2007)

Die Verdauung der Engel

Was ist das für eine Kugel unter dem Engel?

Was ist das für eine Kugel unter dem Engel?

Irgendjemand in Linz muss Humor haben. Nicht anders ist zu erklären, warum sich ein Weihnachtsengel auf der Landstraße ganz entspannt eines leuchtenden Kügelchens entledigt. Könnte natürlich ein Zufall sein. Oder einfach Unvermögen. So wie auch meine selbst fabrizierte Weihnachtsbäckerei eher in die Hose ging: Die finnischen Weihnachtssterne mit Pflaumenmarmelade haben frappante Ähnlichkeiten mit einem Mutterkreuz und die Most-Kekse und Vanillekipferl nach Rezepten aus „Prato. Die gute alte Küche“ (Pichler Verlag) entpuppen sich als hart wie Krupp-Stahl. Dass die Weihnachtskekse damit unfreiwillige Boten einer ideologischen Neuausrichtung von Weihnachten hin zum Julfest sein könnten, will ich mir dann aber lieber doch nicht nachsagen lassen.

Genauso wenig lasse ich mir nachsagen, dass ich etwas gegen Weihnachten habe – jetzt, wo schließlich jeder darüber raunzt. Nein, nein, das ist schon in Ordnung, dass jeder zweite Vorgarten beleuchtet ist wie die Landebahn fürs Christkind. Das ist schon ok, dass ich in der voll besetzten U-Bahn an einem Fichtenzweig knabbern darf. Und dass irgendwo zwischen Tür und Angel lautstark die Besinnlichkeit beschworen wird, können auch nur Zyniker falsch verstehen.

Also, genießen Sie die letzten Tage vor dem Fest, etwa bei der „Supernacht der Weihnachtsstars“ im Rabenhof (3, Rabeng. 3) mit Maurer, Votava, Haipl & Co. Denn hier wird das Weihnachtsfest äußerst originell mit Bud Spencer und Terence Hill verknüpft. Ja, auch irgendjemand in Wien dürfte Humor haben.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.12.2006)

Der Orgasmus des Kapitalismus

Der Advent hat die erste Halbzeit hinter sich. Und wir mit ihm. Noch ein paar Tage durch halten, dann ist es vorbei mit weihnachtlichen Kampfgesängen in gut gelaunten Radioprogrammen, überfüllten Bekleidungsgeschäften und vollgepferchten Aufzügen in Einkaufszentren. Weihnachten ist ja gewissermaßen der jährliche Orgasmus des Kapitalismus. Glücklich sind jene, die ihre Umsätze in die Höhe treiben können. Am Ende haben sich weniger die Herzen mit Freude als vielmehr die Mülleimer mit zerknülltem Geschenkpapier gefüllt. Der immer wieder vorgetragene Wunsch nach besinnlichen Weihnachten wirkt da direkt zynisch. Ja, erwischt, ich mag Weihnachten nicht. Geht es noch jemandem so?

Gut, für genau jene Zielgruppe habe ich einige Tipps, wie dem Weihnachtstreiben entkommen werden kann: Kaffee, Kakao und Tequila sind nur einige der Genussmittel aus den Tropen, die Bettina Fähnrich bei einem Vortrag in der VHS Floridsdorf (21, Angerer Str. 14, 18:30 Uhr) vorstellt. Schokoweihnachtsmänner müssen draußen bleiben. Ebenfalls wenig weihnachtlich geht es im Konzerthaus (3, Lothringerstr. 20, 20 Uhr) zu, wenn Wolfgang Ambros Lieder von Hans Moser singt. Und auch die Strandbar Herrmann (1, Urania) ist täglich bis Mitternacht weihnachtsfreie Zone: Punsch und Glühwein ohne „Last Christmas“ und „Little Drummer Boy“. Aber bleiben Sie bitte nicht zu lange, sonst brummt am nächsten Tag der Kopf. Und da macht das Einkaufen von Weihnachtsgeschenken gleich noch viel weniger Spaß.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.12.2005)