Winter, Kellner, schlechtes Timing
13. November 2007 Hinterlasse einen Kommentar
Der Winter hat ein Timing-Problem. Egal, wann er sich in Form von Schnee auf Straßen, Oberleitungen und Dächern zeigt, wird über ihn gelästert. Wie das Amen im Gebet pilgern Autofahrer, die vom „plötzlichen“ Wintereinbruch (mitten im November, tststs) überrascht wurden, in die Autowerkstätten, um die Sommerreifen loszuwerden. Notorische Ganzjahres-Sommerreifenfahrer wären wohl auch über den ersten Schnee im Jänner überrascht.
Timing-Probleme haben aber auch andere, etwa Kellner: Kaum hat man seinen Platz eingenommen – sagen wir im Tewa am Naschmarkt – und greift gerade zur Karte, fragt schon einer die Getränkewünsche ab, während er ungeduldig mit dem Kugelschreiber auf den Notizblock klopft. Derart unter Druck gesetzt, stammelt man schnell „Almdudler gespritzt“ und verzichtet auf das Studium des Getränkeangebots. Minuten später – längst hat man sich für sich für Haya’s Potpourri mit Falafel entschieden – platziert der Kellner die Getränke wortlos am Tisch, zieht von dannen – und vermeidet konsequent jeglichen Blickkontakt. Immerhin, am Ende steht doch ein Teller am Tisch und Humus, Tabouleh und Fladenbrot lassen düstere Gedanken wieder verschwinden. Dann muss man nur noch hoffen, dass die Begleitung nicht gerade in dem Moment eine Frage stellt, in dem man ein Stück Falafel in den Mund geschoben hat. Mit Kauen und Schlucken vergehen nämlich gefühlte fünf Minuten, bis man endlich leeren Mundes antworten kann. Auch eine Form von schlechtem Timing.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 13.11.2007)